. Blitzcheck: . .. .

Sicherheit beim Wandern

Teil 3


Das erste Mal ... im Jämtlandsfjäll

Hallo Freunde! Recht gut zum Thema der letzten ezines, wo es um Einstellung, Hilfsmitteln sowie Sicherheit bei Fjälltouren in Schweden gegangen ist, scheint mir der folgende Brief zu passen, den mir Henry und Verena aus Hamburg geschrieben haben, zeigt er doch, dass alle guten Ratschläge eigentlich nur eine Verstärkung der richtigen Einstellung bilden, aber die Folgerung nahelegen, kaum je eine falsche Einstellung ins Gegenteil verkehren zu können. Dieser Brief ist meiner Meinung nach wirklich ein gutes Beispiel dafür, wie gesunde Vernunft, Optimismus und eine positive Einstellung auch widrigste Umstände (Regen, Einsamkeit, Qual der Wegwahl) zu einem positiven Erlebnis werden lassen.

I

Zuvor noch ein Brief, der sozusagen nach Redaktionsschluss hereingeflattert ist, von Ron aus Holland. Ron ist viel unterwegs in Nordschweden, Norwegen und Finnland. Er weiss also, wovon er redet:

Hi there,
I make a distinction between Handy and GPS, with a GPS you can't call the rescue service and have them crash against the mountain. With GPS you can navigate (with a map and a spare compass) better and safer as ever before. A handy (mobile) is most of the time no good in the Swedish mountains anyway. On my solo hikes in Ovre dividalen (Norway, Sweden, Finland) I was complemented by the local police, where I checked in to report that I was going to hike and when I expected to be back, for having a GPS. That reduced the risk that I would loose my way to zero. (it's super small anyway). So they had one less backpacker to worry about. I say the use of modern electronic devices is safe, however if you can't find your way without them, something is wrong
kindest regards
Ron Keulen
Ps I had a marvellous holiday in the North of Sweden.

Danke Ron Keulen für diese offenen Worte. Ich bin sicher, nicht nur bei mir hat dieser Brief durch seine faktengespickte Eindringlichkeit einen tiefen Eindruck hinterlassen.

II


Verena und Henry waren ein paar Wochen in Jämtland unterwegs und haben ihren ersten Schwedenurlaub hinter sich. Wir wollen anhören, wie es ihnen ergangen ist:

Wir sind seit einiger Zeit wieder aus Schweden zurück und wollen dir mitteilen, wie uns der Urlaub gefallen hat!

Also, nachdem ich schon in Dänemark festgestellt hatte, dass ich meine Jacke vergessen hatte, ;-) ging die Reise lustig weiter nach Malmö und Stockholm - dummerweise war´s Sonntag Abend und kein Geschäft hatte mehr offen.

Wir kamen also gegen Morgen mit dem Nachtzug in Östersund an, in der Erwartung dort bald in den Anschlussbus nach Ljungdalen umzusteigen. Ein zufälliger Blick auf die Bahnhofsuhr aber liess uns erkennen, dass der Zug eine Stunde Verspätung hatte. Na ja, der nächste Bus fuhr nachmittags ab und in eine andere Richtung: nach Valådalen. Das brachte uns dazu, unsere Wanderroute umzuplanen - nämlich von Nord nach Süd. Ausserdem lernten wir in den folgenden Stunden des Wartens auch noch unseren zukünftigen Wegbegleiter kennen: Werner, einen bärbeißigen Pfarrer aus K., mit einem Rauschebart und beachtlichem Leibesumfang, der seit 20 Jahren mit und ohne Jugendgruppen Schwedens Norden unsicher macht.

Mit Werner zogen wir mit unseren Mega-Rucksäcken ins Zentrum von Östersund und belagerten bis zu dessen Öffnung einen Trekkingladen; während dieser Stunden erzählte uns unser neuer Freund Schauergeschichten vom Järv (Vielfrass), den schwedischen Bären und von wilden Touren durch den Sarek.

Ich ergatterte eine ganz ordentliche Jacke und bald stiegen wir in den Bus Richtung Valadalen. Dazu muss ich sagen, bei Henry und mir wuchs der Respekt vor der Abgeschiedenheit dieser Gegend; besonders bei den letzten 10 km Schotterpiste durch endlose Nadelwälder.

Es hatte in der Gegend, wie wir erfuhren, seit Tagen stark geregnet und so sah es auch aus: überall stand Wasser auf den Wegen. Trotz meines Wunsches, diese eine Nacht (es goss in Strömen) in der Fjällstation zu verbringen, machten wir uns noch zu dritt ins Gebiet auf. Hier merkten wir aber, dass eine Route, so wie wir sie geplant hatten, bei unserer mangelhaften Ausrüstung doch zu abenteuerlich werden würde. Pfarrer Werner empfahl uns, eine reine Hüttenstrecke zu gehen, angefangen bei Stensdalstugorna. Bei einer eingezäunten Rentierherde kamen wir an einen schönen Zeltplatz und Henry und ich schlugen, nachdem wir uns von Werner verabschiedet hatten (der wollte in einer Woche mehr als 100 km wandern!!) unser Zelt an einem kleinen Fluss auf.

Nach unruhiger regnerischer Nacht, in der wir wegen bedrohlich steigendem Flüsschen nochmal das Zelt woanders aufbauen mussten, brachen wir auf gen Stensdalen.

Hier wurde die Bedeutung des Satzes "Ein Königreich für ein paar Gummistiefel" klar: wirklich teilweise 40 cm Wasserlöcher, und vom Weg nix mehr zu sehen. Aber auch die ersten wunderschönen Landschaftseindrücke, wie der Weg, der parallel zu einem riesigen Moor auf schneebedeckte Berge zuführt um dann in einem mückenreichen Wald zu verschwinden. Super, mein Mückennetz!!! Der arme Henry wurde arg zerstochen, und ich glaube, das war das einzige, was ihn an diesem Urlaub störte.

Ich muss mich jetzt kürzer fassen, sonst schweife ich zu sehr aus, und das kann man dann wirklich nicht alles lesen. Stugwart Olaf meinte, als wir total erschöpft und durchnässt seine Hütte erreichten: "Eure Rucksäcke sehen schwer aus" und heizte erstmal kräftig die Sauna an, dass wir uns erholen konnten.

Am nächsten Morgen empfing uns ein strahlend blauer Himmel. Wir hatten aber nicht vor, die Tour fortzusetzen, sondern wir wollen wieder zurück zur Fjällstation Valadalen. Der letzte Tag war echt zu hart für uns gewesen und mit meinen Lederstiefeln kam ich in dem sumpfigen Gelände nicht so gut klar. Eigentlich schade, aber wir wollten ja nie auf Teufel komm raus die Strecke schaffen, sondern eine schöne Zeit haben. Schliesslich kann man auch von einem Ausgangspunkt tolle Tagestouren machen. Mir kam es auch schon spanisch vor, dass wir so gut wie keiner Seele in diesem ganzen Gebiet begegnet waren, und die Abgeschiedenheit wirkte auf mich etwas unheimlich.

Also, auf nach Valadalen! Unsere Ausrüstung war noch nicht trocken; deshalb marschierten wir nur ca. 2 km, und beschlossen dort unser Lager aufzuschlagen und die Nacht zu verbringen. Es war herrlich! Direkt an dem rauschenden Flüsschen Tvaran und in den Berghängen Schneefelder! Wir überwanden uns sogar, in dem eisigen Wasser eine Waschung vorzunehmen; zur Belohnung gab's abends ein Feuer und Stockbrot mit gegrillter Salami.

Nach einer kühlen Nacht heizte die Sonne wieder richtig ein (bestimmt 30 Grad, wir hatten kein Thermometer) und weiter ging es. Wir freuten uns schon darauf, bald wieder unter Menschen zu sein und was leckeres zu essen, und ahnten nicht, was uns dieser Tag noch bringen sollte.

Frohgemut folgten wir dem dürftig markierten Wanderpfad, um nach 1 km Abstieg über Stock und Stein zu bemerken, dass dieser in einer offenen Wasserfläche endete. Das musste ein alter Weg sein! Wir gingen zurück und suchten oben auf dem Berg nach dem neuen Wanderweg, fanden auch rote Markierungen und sogar Steinmännchen. Dieser Pfad führte aber immer weiter in unwegsames, mit Moosen und Flechten bewachsenes mooriges Gelände und schliesslich standen wir inmitten eines Hochmoores. Die aus dem Wasser ragenden, ausgebleichten Baumstümpfe sahen furchterregend aus!

Um´s etwas abzukürzen: wir irrten - nun alle 2 Minuten auf die Karte schauend - immer noch auf dem Bergplateau herum und fanden keine menschlichen Spuren oder gar Wege mehr vor. Nur noch Tierwechsel. Auf dem Boden sah ich plötzlich eine riesige Bärenspur! Wir wollten verständlicherweise nur schnell weg von hier und beschlossen, querfeldein zu gehen, der Kompass würde uns sicher bis zum Fluss Valan bringen, dort würden wir wieder auf den eigentlichen Wanderpfad stossen.

Es war vielleicht ein Abenteuer! Wir stiegen zunächst durch Birkensträucherfelder, dann in den Fjällwald hinab, der sich doch ziemlich unheimlich ausnahm, da oft meterhohe Felsbrocken im Weg standen und umgestürzte Bäume kreuz und quer alles versperrten. Du kannst uns glauben: wir vermuteten hinter jedem verdammten Wurzelteller einen Bären!

Dann hörte Henry einen brüllen. Ich bekam es Gottseidank nicht mit, weil ich den Hut tief ins Gesicht gezogen lautstark durchs Dickicht brach. Er erzählte es mir, als wir "in Sicherheit" waren!

Wir machten ein wenig Lärm mit den Alu-Trinkflaschen, um einen potentiellen Bären nicht zu überraschen. Zu oft sahen wir die grossen Fladen auf dem Boden.

Ich mach es jetzt wieder etwas kürzer: auf den dichten Gebirgswald folgten immer abwechselnd riesige Sümpfe und dann wieder ein schmaler Waldgürtel, bestimmt je 6 mal. Wir hätten bestimmt Elche gesehen, wenn wir uns nicht so lautstark bewegt hätten! Das Dumme war, dass wir ja nicht direkt übers Moor gehen konnten, denn da stand das blanke Wasser und oft versanken unsere Probierstöcke im bodenlosen, wenn wir "Furten" austesteten.

Wir gingen also im Zickzack, was etwas frustrierend war, und dazu noch diese trockene Kehle! wir hatten vergessen, auf dem Berg und am Bach im Fjällwald unsere Flaschen zu füllen.

Irgendwann erreichten wir doch noch den Fluss. Wir tranken wie die Weltmeister und fühlten uns unbeschreiblich erleichtert! Hier war unser Weg - so gut markiert wie nirgendwo - und die letzten 5 km kamen uns wie ein Spaziergang vor.

Die folgenden Tage waren sehr schön und wir erkundeten das reizvolle Gebiet nur noch auf kleinen Tagestouren; einmal liehen wir uns Fahrräder und radelten zum nächsten Badesee Nulltjärnarna, wo wir ein eisiges 8-Grad-Bad genossen (hier hatte eine Frau ein Thermometer!). Ausserdem verbrachten wir viele Stunden im Naturmuseum Naturum.

Übrigens: Schweden wird uns sicher bald wiedersehen! Der Urlaub war wirklich super und wir sind auf den Geschmack gekommen, obwohl wir uns ja eigentlich als klägliche Greenhorns erwiesen haben. Wie kann man sich in einem Urlaubsgebiet bloss verlaufen- trotz Karte und Kompass!!!!!??

ALSO: DAS NÄCHSTE MAL GIBT´S GUMMISTIEFEL UND WIR ACHTEN GANZ PENIBEL AUF DEN WEG!

Wir möchten dir an dieser Stelle einmal danke sagen: du hast uns sehr geholfen mit der Tour-Ausarbeitung und uns wichtige Ratschläge gegeben. Finden wir wirklich toll !!

Henry und Verena

P.S.: Den netten Pastor Werner trafen wir am Abend vor unserer Abreise am Büffet wieder. Er war barfüßig und fast ebenso morastig wie wir nach der Moor-Expedition. Über 130 km hatte er in den paar Tagen im Rundkurs zurückgelegt und seine high-tech-Stiefel dabei durchgelaufen!!! Bevor wir am nächsten Tag alle 3 den Bus nach Storlien nahmen, hängte er seine aufgeplatzten Stiefel dekorativ an die Hauswand, wo sie bestimmt heut noch sind :-)

III.

Ich glaube, diesem Brief ist nichts mehr hinzuzufügen. Sehr schön herausgearbeitet wird darin die Einsamkeit, die den Besucher der schwedischen Fjälls überfällt. Diese Einsamkeit macht meiner Meinung nach dem unbedarften Mitteleuropäer bei Wanderungen in den schwedischen Bergen am meisten zu schaffen. Heilmittel dagegen weiss ich keines - Gewöhnung vielleicht, und tröpfchenweise immer mehr davon.

Im Beitrag nächste Woche werden wir uns ansehen, wie "die Einheimischen" mit den Bergen zurechtkommen und ob es signifikante Unterschiede in der Vorbereitung und auf den Wanderungen gibt.

See you at the top! Howdy, Euer Edi Nöstl

Teil1
Teil 2
Teil3
Teil4
Teil5
Teil6

1 Minute bitte! Du kannst zur Verbesserung unserer homepage beitragen:
Bitte beurteile diesen Bericht, indem Du in jeder Spalte eines der Kästchen ankreuzt.
Wie hat Dir der Artikel gefallen ?
super
gut
naja
eher nicht
überhaupt nicht
Informationsgehalt ?
toll
schon bekannt
uninteressant
Mehr davon ?
mehr davon
egal
entsorgen

 

Sonstige Kommentare:



Last Updated: Donnerstag, 4. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl

ISDN 1101-9840

 






 

 

 

Warum Schweden FAQ Contact Us Wir über uns Home Zurück zum Anfang Contact Us Ferienhausinfo Home