Zum
Thema Sicherheit beim Wandern passt auch diese Reaktion von Christian
zum Thema des ezines der letzten Woche,
in dem es um technische Hilfsmittel beim Wandern gegangen ist.
Christian L. schreibt:
Hallo, ich bekomme Ihren Newsletter nun schon einige Zeit und finde
ihn wirklich erstklassig. Aber mit der letzten Ausgabe kann man
einfach nicht einverstanden sein. Gibt es nicht genug Idioten die
"ein Risiko eingehen und sich etwas beweisen" wollen und
ohne Netz und doppelten Boden in Gefahr begeben? Sie selbst machen
genug Touren durch die Wildnis und können bestimmt auch ohne
Lebensmittelvorräte dort überleben, doch die meisten Empfänger
Ihres Letters können das nicht. Und diese Menschen fordern
Sie dann noch auf, die Sicherheit, im Notfall Hilfe rufen zu können,
nicht zu Nutzen!! Vielleicht sollten Sie mal beim Alpenverein nachfragen,
wie viele Leute jedes Jahr ohne einen geschulten Führer einen
Berg besteigen wollen und dabei verunglücken (und was deren
Suche und Rettung dann kostet). Das ist ja eigentlich das wozu Sie
die Leute auffordern. "Entweder ich riskiere mein Leben und
hole mir den Adrenalinstoss den die Überwindung der Gefahr
bringt, oder ich lasse es bleiben und kaufe mir ein gutes Buch."
Das ist meiner Meinung nach eine ziemlich dumme Einstellung, aber
es ist Ihre Einstellung und wenn Sie das für sich so sehen
ist das OK. Aber andere Leute die nicht Ihre Fähigkeiten, Kenntnisse
und Kontition haben dazu aufzufordern ist nicht Ok. Ich hoffe, daß
ich mich nicht in Ihnen getäuscht habe und dass dieser Newsletter
nur eine Provokation darstellen sollte. Wie wäre es mal mit
einem Newsletter über Sicherheit bei solchen Touren. Vielen
Dank Christian L.
Vielen
Dank für Ihre Rückmeldung, die ich mit grossem Interesse
gelesen habe. Irgendetwas muss an diesem Inhalt dran gewesen sein,
denn es sind einige Leser richtiggehend aufgerüttelt worden.
Anscheinend ist das ein Thema wirklich etwas, womit sich viele Menschen
identifizieren können. Eigentlich klar, jeder von uns war wohl
schon mal in der Lage, dass er weder vor noch zurück konnte.
Ich
finde das gut, dass Sie mir so offen sagen, was Sie sagen wollen.
Denn genau um diese Sache mit den Rettern und den Gefahren, die
sich diese Retter aussetzen müssen, ist es mir im Grunde gegangen.
Nur
habe ich dann diesen Passus vor dem Abschicken wieder herausgenommen.
Es waren eigentlich zwei Abschnitte: zum einen die Katastrophe auf
dem Mt. Everest, die Jon Krakauer zu seinem Bestseller "In
eisigen Höhen" verarbeitet hat. Dieses Unglück hatte
ich zum Anlass genommen, meine These Nummer eins zu unterstïtzen,
dass auch ein Handy und die beste Nachrichtentechnik der Welt nicht
immer ausreichen, um Unfälle zu vermeiden oder die Rettung
zu ermöglichen.
Ich
meine, es war doch wirklich schaurig, im www.outsidemag.com Monate
später auf einen flashbutton zu drücken und die
Stimme von Rob Hall zu vernehmen, wie er vom Gipfel des Mt. Everest
von seiner hochschwangeren Frau im fernen Australien Abschied nimmt.
Also hier gehe ich, glaube ich, mit Ihnen d'accord, nämlich,
dass es besser ist, sich richtig vorzubereiten, als sich auf das
Handy im Rucksack zu verlassen.
(Wobei
eben gegen die Unbillen des Wetters und überhaupt mehrere ungünstige
Faktoren gleichzeitig auch die beste Vorbereitung machtlos ist.
Ich verweise hier nur auf die Lawine, der Edi Koblmüller jun.
von der Alpinschule Koblmüller im Himalaya zum Ofer gefallen
ist oder an die elf Schilehrer, die im letzten Winter in Österreich
beim Tiefschneefahren von einer Lawine verschüttet wurden).
Die
zweite Begebenheit hat ebenfalls mit dem zu tun, was Sie ansprechen:
nämlich die Retter durch einen unmotivierten und verfrühten
Gebrauch der Hilfsmittel in Gefahr zu bringen. Dies ist vor zwei
Wochen im Kebnekaise Gebiet passiert und seither ist mir dieses
Thema im Kopf herumgeschwirrt.
Ich
habe diese Absätze aus dem Newsletter herausgenommen, weil
er meiner Meinung sonst zu lang geworden wäre, das heisst,
ich finde, ich strapaziere die Leser oft, wenn das ezine länger
wird als 6 Seiten, darum habe ich mir selbst ein Limit gesetzt.
Aber leider mehr zum Schaden als zum Nutzen, wie man aus Ihrer Zuschrift
sieht, andererseits bin ich wirklich erfreut über die Reaktion,
weil dadurch genau die Diskussion zustande kommt, die meiner Meinung
nach so wichtig ist und wofür das Internet das ideale Instrument
ist.
Aber
nun zurück zum Kebnekaise: Zwei Männer, 49 und 81 (!)
Jahre alt, machen sich auf, um auf einem Gipfel ein Gipfelbuch zu
hinterlegen. Ungefähr hundert Meter vom Gipfel entfernt werden
die beiden von einem Schlechtwettereinbruch überrascht. Sie
sind gut ausgerüstet und machen sich ein Biwak zurecht. Dort
sitzen sie zwei Nächte. Sie sind wohlauf, aber wollen nicht
noch eine Nacht im Freien verbringen.
Daher
rufen Sie mit dem Handy die Bergrettung: keiner der beiden ist erschöpft
oder hat Erfrierungen, es ist nichts passiert, sie sind nicht abgestürzt,
es hat keiner Erfrierungen oder sonst Verletzungen, ausser eben
der durch das Schlechtwetter hervorgerufenen etwas unbequemen Situation.
(Dazu möchte ich gleich bemerken, dass ich mir durchaus bewusst
bin, dass ein Stillsitzen am Berg nie angenehm ist und ich der erste
bin, der herauswill, und Angstzustände kriege, wenn ich irgendwo
festsitze und sei es im Aufzug).
Die
Bergrettung schickt einen Hubschrauber, der Hubschrauber versucht
eine Bergung, kommt mit dem Rotor an die Felswand und stürzt
ab. Alle drei Besatzungsmitglieder des Hubschraubers sind tot. Beide
Bergsteiger sind wohlauf, am nächsten Tag bessert sich das
Wetter und sie steigen problemlos ab.
Ich
beginne jetzt im Nachhinein immer mehr zu verstehen, dass ich vielleicht
gerade die wichtigste Information und Beweggründe aus dem ezine
gestrichen habe. Falls meine Einstellung also so rübergekommen
ist, als lehnte ich prinzipiell jeden Gebrauch von GPS oder Handy
ab, so ist dies als Reaktion auf diese missglückte und eigentlich
völlig unnötige Rettungsaktion zu verstehen.
Vielleicht
können wir uns darauf einigen: Handy, oder überhaupt moderne
Hilfsmittel ja, nur eben nicht ohne Not. Und wann ein Notstand eintritt,
muss eben jeder mit sich selber abmachen. (Nur glaube ich, wenn
die Hubschraubereinsätze von den Betreffenden selber bezahlt
werden müssten, dann würden wohl nur die wenigsten ohne
wirkliche Not einen Rettungseinsatz anfordern).
Ich
glaube, das mit den erlaubten und unerlaubten Hilfsmitteln ist am
einfachsten in Kant'scher Manier so zu lösen: "Du kannst
machen, was du willst, solange dadurch nicht andere zu Schaden kommen
oder in ihrer Privatsphäre eingeengt werden".
Hauptsache
ist es sicher zu überleben und es bleibt jedem selber überlassen,
welches Mass an Sicherheit er für sich bei seinen Wanderungen
in Anspruch nimmt. Ein Beispiel für gesunde Vernunft steht
im nächsten ezine in einer Woche.
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Updated: Donnerstag, 4. September 2008
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