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             Padjelanta/Lappland 
             
              
             
            Im 
              Eilzugstempo durch den Padjelanta Nationalpark 
             Etwa 
              sechs Kilometer vor Gällivare verwandelt sich das mahlende 
              Geräusch, das sich schon seit Stunden im linken Hinterrad unangenehm 
              bemerkbar gemacht hatte, in einen ordentlichen Krach. Aus. Ende 
              der Fahrt. Notblinker einschalten und abwarten. Schon nach zwei 
              Minuten bleibt ein Auto stehen. Zwei junge Burschen sitzen darin 
              und fragen ob sie helfen können. Helfen vielleicht nicht, aber 
              das Handy? Wenn ich mir das ausborgen dürfte? Kein Problem. 
              Ich rufe den Abschleppdienst und die beiden freuen sich offensichtlich, 
              dass sie behilflich sein konnten. "Ach, mein Vater bleibt auch 
              immer stehen. Und überhaupt - das nächste mal bin ich 
              es, der Hilfe braucht." So einfach ist die Kameradschaft auf 
              der Strasse. Dabei ist heute Sonntag und morgen will ich mit dem 
              Bus von Gällivare nach Ritsem fahren, um mir selber einen lange 
              gehegten Traum zu erfüllen: den Padjelanta Wanderpfad! 
            von 
              Eduard Nöstl  
             
            Doch vorerst 
            sind einige Kleinigkeiten zu erledigen. Etwa Proviant ist zu besorgen. 
            Da mich meine kleine Panne einige Stunden kostet, sind natürlich 
            die Geschäfte zu und ich muss mir meine Essensvorräte in 
            der Statoil Tankstelle besorgen. Die Tankstellen haben ja offen, wann 
            man sie braucht. Ein grosses Stück geräucherten Schinken, 
            Speck und Brot, einige Suppen und als Notration ein paar Fischdosen. 
            Das müsste reichen. Ich meine, Luxus wie die Trockengerichte 
            kann ich mir sowieso nicht leisten und so lange will ich schliesslich 
            auch nicht unterwegs sein. 
So, 
              der Proviant ist gesichert, jetzt fehlt nur noch die Bleibe für 
              die Nacht bis morgen. Es ist schon September. Daher sind sowohl 
              Campingplatz als auch STF Jugendherberge geschlossen, bleibt nur 
              eines der Hotels von Gällivare. Ein zaghaftes Herumtelefonieren 
              erleichtert mir die Wahl ungemein. Hotel Dundret nennt einen Preis, 
              der meiner schmalen Brieftasche gerade noch zumutbar ist. Ausserdem 
              liegt das kleine Hotel, eigentlich ist es ja mehr eine Pension, 
              nur einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt.  
            Eine 
              Nacht im Hotel Dundret 
            Der 
              Nachtportier ist zugleich Hoteldirektor, und heisst Ivan. Ein Mann, 
              der aussieht wie fünfundvierzig und dabei ist er fünfundsechzig! 
              Sein Hobby erhält ihn jung, sagt er. Tanzen. Kiruna, Lycksele 
              das sind seine Ziele, wenn er am Samstag ausgeht. Das sind Hunderte 
              von Kilometern!  
            Am 
              nächsten Morgen lasse ich einen Teil meines Gepäcks im 
              Hotel zurück und vereinbare mit Ivan, dass er die Bergrettung 
              verständigt, wenn ich mich nach sechs Tagen nicht gemeldet 
              habe. Das gibt mir immerhin eine gewisse Sicherheit, nicht ganz 
              verloren zu gehen. Ich meine, der Padjelantapfad bedeutet hundertvierzig 
              Kilometer in der Wildnis. Zwar auf einem markierten Pfad, aber ich 
              habe da so meine Erfahrungen mit den markierten Pfaden in Schweden 
              und wenn Nebel einfällt und Schnee angesagt ist, dann wird 
              auch auf solchen Wegen guter Rat teuer.  
            Irgendwo 
              habe ich gelesen, dass für eine Durchquerung des Padjelanta 
              Nationalparks auf dem Weitwanderpfad so um die zehn bis zwölf 
              Tage empfohlen werden. Das heisst , wenn man von Hütte zu Hütte 
              marschiert. Nun, da ich mir die Abstände ein bisschen angesehen 
              habe, weiss ich, dass die Hütten in Abständen von ungefähr 
              fünfzehn Kilometern liegen.  
            Das 
              ist mir zu kurz. Was tue ich denn da den halben Tag? Ich will also 
              jede zweite Hütte überspringen und rechne mir aus, das 
              ganze in fünf Tagen bewältigen zu können. Das klingt 
              jetzt vielleicht etwas übertrieben, als gälte es, eine 
              Strapaze hinter sich zu bringen. So ist das nicht gemeint, nur lieber 
              fünf Tage voll und hundertprozentig eine Sache verfolgen als 
              zwölf Tage halb.  
            Mit 
              dem Bus nach Ritsem 
             Aber 
              noch bin ich in Gällivare und auf dem Weg zum Bus. Zwei Leutchen 
              stehen da mit riesigen Rucksäcken, dagegen nimmt sich mein 
              Binkerl klein aus. Auch zwei, die nach Ritsem wollen. Dem Tonfall 
              nach sind die beiden aus Schonen angereist. Witzig, die einzigen, 
              die unterwegs sind, kommen genau wie ich aus dem südlichsten 
              Teil Schwedens! Die beiden sind nett und bald schon werde ich mit 
              gut gemeinten Ratschlägen bombardiert.  
            Die 
              beiden gehen den Padjelanta jeden Herbst und sind begeistert. "Speziell 
              die Hütten. Das sind keine vergammelten STF Hütten, sondern 
              piekfeine Hütten der Naturschutzbehörde," schwärmt 
              der eine. "Da drückst du auf einen Knopf und die Heizung 
              springt an. Und ausserdem gibt es einen Trockenraum, auch der mit 
              Gasheizung! Ist ja wirklich toll, wenn du jeden Tag trockene Kleidung 
              hast, gar nicht zu reden von trockenen Schuhen." 
            Als 
              Purist in Sachen Hütten rümpfe ich zwar die Nase ob solchen 
              Luxus, doch schon nach der ersten Nacht werde ich ein glühender 
              Anhänger der Gasheizung sein. Doch das weiss ich jetzt noch 
              nicht, sondern ich sehe nur meine Lieblingsbeschäftigung auf 
              solchen Wanderungen, das Holzhacken, den Fluss hinunterschwimmen. 
              Naja, es gibt ja noch mehr Pfade mit "richtigen" Hütten. 
              Auch erklären mir meine neuen Freunde, dass die letzten Hütten 
              auf dem Pfad STF Hütten seien, und "da kannst du Holz 
              hacken so viel du willst". Der Tonfall belehrt mich, dass diese 
              Hütten nicht gerade das Gelbe vom Ei sind.  
            Fährschiff 
              oder Heli? 
            "Übrigens, 
              wie kommst du denn über den Anonjalme?" werde ich gefragt, 
              während der Chauffeur seinen riesigen Bus in voller Fahrt über 
              Schlaglöcher donnern lässt, dass mir angst und bange wird. 
              Es kracht und schon dröhnt es ganz wohlbekannt von den Innereien 
              des Busses zu uns herein.  
             Aha, 
              auch die "Einheimischen" fallen also den Tücken ihrer 
              miesen Strassen zum Opfer. Mein kaputtes Radlager hatte ich auf 
              meine Unkenntnis der Strassenbeschaffenheit zurückgeführt, 
              doch da auch Leute, die tagtäglich auf diesen holprigen Strassen 
              unterwegs sind, ihren Tribut zahlen müssen, versöhnt mich 
              das wieder mit meinem Gefährt.  
            Wir 
              stehen auf offener Strecke. Mats, einer meiner neuen Bekannten, 
              liegt schon unter dem Bus, während der Chauffeur noch verzweifelt 
              seine Unschuld an dem Malheur über das Mobiltelefon seinem 
              Vorgesetzten gegenüber beteuert: "Ganz langsam bin ich 
              gefahren, ganz langsam".  
            Endlich 
              gelingt es Mats, den Auspuff, der nur mehr an einer Manschette hängt, 
              zu lösen. Vorsichtig starten wir wieder und, ja, kein Problem, 
              wir können weiterfahren.  
            Mats 
              nimmt den Faden wieder auf. "Ich will dir einen Tip geben. 
              Du hast einen Fährmann bestellt, nicht wahr?" auf mein 
              Kopfnicken meint er, "das haben wir auch gemacht, früher. 
              Aber heute fliegen wir mit dem Hubschrauber. Das kostet zwar mehr, 
              aber sicher ist sicher." 
            Ob 
              ich mit dem Hubschrauber mitfliegen will? Ich überlege kurz. 
              Ich habe schliesslich die Fähre bestellt, der Mann freut sich 
              sicher über ein bisschen Taschengeld. Ausserdem möchte 
              ich die Route nehmen, die die meisten Urlauber und Wanderer wählen, 
              daher lehne ich dankend ab.  
            Draussen 
              vor den Fenstern des Busses ist nichts zu sehen. Dichter Nebel, 
              der sich erst lichtet, als wir uns Saltoluokta nähern. Pause. 
              Ich esse schnell mein Brot und trinke Wasser dazu. Ich kann mich 
              genausogut gleich an meine Diät für die nächsten 
              Tage gewöhnen. Die anderen gehen in die Hütte auf einen 
              Kaffee.  
            Schnee 
              auf den Bergen 
             Die 
              Strasse wird schmäler, aber das Wetter verändert sich 
              zusehends. Die Nebel reissen auf und strahlend blauer Himmel zeigt 
              sich. Die Sonne bricht durch und gibt ein tolles Panorama frei. 
              Berge links und rechts der Strasse, speziell zum Nationalpark Stora 
              Sjöfallet hin erheben sich einige Zacken und der Schnee der 
              Gletscher glitzert zu uns herüber. Erstaunlich, wieviel Schnee 
              noch immer liegt.  
            Bald 
              sind wir am Ende unserer ersten Etappe angelangt. Die beiden Skåningar 
              laufen zu ihrem Hubschrauber, ich sehe mich um nach meinem Fährmann. 
              Da ist er auch schon. Ein rundlicher kleiner Mann, um die sechzig, 
              mit einem bärbeissigen Ausdruck im Gesicht. Viele Worte werden 
              nicht gemacht, er deutet auf eine kleine Schaluppe. Ich werfe meinen 
              Rucksack hinein und mache es mir bequem. 
               
              "Hast du einen Kompass dabei?" fragt er im abgehackten 
              Tonfall der Samen. "Dann kannst du gleich einmal Kurs nehmen." 
              Der Nebel hat uns wieder eingefangen, wie Watte umgibt er uns. Die 
              Sonne ist nur mehr zu ahnen. Schon nach ein paar Minuten ist kein 
              Land mehr zu sehen. Weder vor uns noch hinter uns. Ganz fest halte 
              ich meinen Kompass und schaue, dass wir unseren Kurs halten. 
               
               Jede 
              Handbewegung von mir wird vom Steuermann befolgt. So brausen wir 
              über die Wellen des Anonjalme. Aus der Ferne dröhnt das 
              Geknatter des Hubschraubers, dann herrscht wieder Stille, nur das 
              Tuckern des kleinen Motors ist zu hören. Ein einziges Ruder 
              liegt im Boot, fällt mir auf. Keine Schwimmwesten. Ganz unschwedisch. 
              Dann fällt mir ein, dass ich ja im Land der Samen bin. Das 
              Wasser ist eisig. Na, dann wollen wir lieber gut auf der anderen 
              Seite ankommen, denke ich. Da reisst die Nebelwand kurz auf und 
              wir sind schon ganz nah an irgendwelchen Inseln.  
            Mein 
              Fährmann nickt und ändert den Kurs ein wenig, damit wir 
              die Inseln umschiffen können, dann geht es wieder wie gehabt 
              weiter. Nach zwanzig Minuten legen wir an. Ich begleiche meinen 
              Obolus und springe an Land.  
            Erster 
              Höhepunkt: das Akka-Massiv 
               
               Die 
              ersten Meter geht es einmal die Uferböschung hinauf, denn auch 
              hier wie sonst überall herrscht extremes Niedrigwasser. Dann 
              sind schon die ersten Schilder. Akkastugorna, Vaisastugorna. Ich 
              folge dem Weg nach Akka. Vor mir wächst der Berg gleichen Namens, 
              mit 2000 m einer der höheren im ganzen Sarek/St. Sjöfallet 
              Massiv. Zwei Gipfel, dazwischen eingebettet der Gletscher. Beeindruckend. 
              Toll. Ein Superauftakt dieser Wanderung.  
            Das 
              Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Strahlend blauer Himmel, 
              die Sonne lacht herunter. Es ist nicht warm, aber auch nicht kalt. 
              So um die zehn Grad, also richtiges Wanderwetter.  
            Die 
              Akkastugor lasse ich links liegen, der Weg führt bestückt 
              mit Bohlen direkt auf den Berg zu. Ich kann mich kaum sattsehen. 
              Schade, dass nicht genug Zeit ist, da hinauf zu klettern. Doch das 
              würde einen ganzen Tag in Anspruch nehmen. Mindestens. Und 
              ausserdem, wer weiss, wie das Wetter wird. Nein, einen einmal gefassten 
              Plan soll man befolgen. Mein heutiges Ziel sind die Kisurishütten. 
               
            Dieser 
              erste Tag ist gerade richtig zum Gewöhnen: 15 Kilometer. Auch 
              zeitlich dürfte sich das bis fünf Uhr nachmittags ausgehen. 
              Kurz vor der ersten Brücke geht es durch ein Rentiergehege 
              und dann über den Vuojatätnofluss. Bis hierher sind es 
              zwei Kilometer von den Akkahütten. Rechts liegt der Fluss, 
              links lacht der Akka mit seinem wirklich tollen grossen Gletscher 
              herüber und mitten drinnen veräuft der mit Bohlen verstärkte 
              Weg.  
            Kurz 
              nach Passieren des Vuojatätno komme ich bei einer kleinen Holzbrücke 
              zu einem sehr schönen Rastplatz am Bächlein Jojkkjokken. 
              Hier muss es im Sommer von Gelsen nur so wimmeln und ich bin wieder 
              einmal froh jetzt im Herbst unterwegs zu sein. Stellenweise ist 
              die Gegend ziemlich sumpfig, aber der Pfad ist vorbildlich mit Bohlen 
              versehen. Eine halbe Stunde später kann ich den Kutjauresee 
              halbrechts ausnehmen.  
            An 
              der Brücke über den Sjnjuftjutisjåkkå verlässt 
              der Pfad den Stora Sjöfallets Nationalpark und ein Stück 
              geht es durch den Sarek. Aber nur kurz ist die Spannung, denn schon 
              bei der nächsten Brücke über den Spietjaujåkkå 
              kommen die Wanderer wieder in den Padjelanta. Auf einer Strecke 
              von knapp dreihundert Metern habe ich drei Nationalparks berührt! 
            Tücken 
              eines Gaskochers 
            Nach 
              der letzten Brücke wird der Pfad ein bisschen steiler und eine 
              Viertelstunde später stehe ich schon vor der Kisurishütte. 
              Es handelt sich dabei immer um mehrere Hütten - einige davon 
              für Wanderer, eine für den Hüttenwirt und auch die 
              Toiletten haben eine eigene Hütte. Die Hütten sind wirklich 
              prima ausgerüstet - man darf nur nicht vergessen, gleich bei 
              der Ankunft den Gashahn aufzudrehen.  
            Die 
              Drehung schaut rein optisch so aus, dass durch die Drehung die Drehvorrichtung 
              parallel zur Gasleitung gebracht wird, sodass das Gas durchfliessen 
              kann. Dasselbe wird dann in der Hütte drinnen bei den Heizungen 
              im Wohnraum und im Trockenraum sowie beim Kocher durchgeführt. 
               
            Warum 
              ich das so genau schildere? Nun, gerade hier in Kisuris war alles 
              neu für mich. Die Heizung, das Gas und vor allem der Kocher. 
              Während mir bei der Gasheizung relativ bald der Knopf aufging, 
              wollte mir der Kocher nicht und nicht anspringen.  
               
             Schliesslich 
              wurde es mir zu bunt und ich griff auf meinen altbewährten 
              Trangiakocher zurück, der mich nebst Brennspiritus auf Schritt 
              und Tritt begleitet. Es sollte bis zur dritten Hütte dauern, 
              ehe ich einem Anschlag entnehmen konnte, dass man beim Gaskocher 
              den Knopf eingedrückt halten muss, damit das Gas ausfliessen 
              kann, um angezündet zu werden.  
            Nun, 
              dennoch war ich mit mir, dem Wetter und dem Padjelanta an sich an 
              diesem ersten Tag zufrieden. Der Höhepunkt des Tages war zweifelsohne 
              der Akka mit seinem gewaltigen Gletscher. Bis hierher nach Kisuris 
              war der Pfad eine positive Überraschung. Leicht zu wandern, 
              markiert und ein gut ausgetretener Steig. Keine Tiere, bis auf ein 
              paar Schneehühner, eher einsam und verlassen, die totale Ruhe. 
              Genau wie ich mir die Tour vorgestellt hatte.  
            Auch 
              hier in Kisuris wird typisch schwedisch wirklich nicht mit dem Komfort 
              gegeizt. Zwei Hütten sind im Winter offen, in jeder stehen 
              sechs Stockbetten zur Verfügung. Wasser wird aus dem nahen 
              Bach geholt.  
            Mein 
              Menü ist einfach. Erbsensuppe mit Speckscheiben, dazu ein Käsebrot 
              und als Nachtisch Fruchtsuppeneintopf. Die Zeit vergeht nur langsam. 
              Ich muss mich erst an den Rhythmus gewöhnen. Ein leichtes Ziehen 
              in den Schultern ist eigentlich alles, was mich an den Rucksack 
              erinnert. Ich sehe mir noch kurz die Strecke für den nächsten 
              Tag an, sie dürfte mit ihren siebenunddreissig Kilometern eine 
              ziemliche Gewalttour werden.  
             Die 
              Petroleumlampe verbreitet nicht nur einen heimeligen Schein, sondern 
              auch einen gemütlichen Duft. Als ich nach Einbrechen der Dunkelheit 
              noch einmal vor die Hütte trete, wölbt sich ein diamantener 
              Sternenhimmel über mir, der seinesgleichen sucht. Schade, dass 
              es noch zu früh ist fürs Polarlicht.  
            Ich 
              stimme ein Lied von Mathias Claudius an , "Der Mond ist aufgegangen", 
              und singe alle acht Strophen durch. Es scheint mir recht gut zum 
              Abschluss des ersten Tages zu passen und versetzt mich in die richtige 
              Stimmung für die nächsten Tage, die ich wie ein moderner 
              Pilger in der Einsamkeit verbringen will.  
            Weil 
              ich schon draussen vor der Tür stehe und die Birken mich erwartungsvoll 
              anschauen, halte ich ihnen eine kleine Ansprache, in der ich meine 
              Erwartungen an diese Wanderung darlege. Es macht Spass, so auf der 
              Treppe zu predigen und ich spüre geradezu, wie die Birken bestätigend 
              mit den Wipfeln nicken, als ich meine Lebenseinstellung zusammenfasse. 
            Ich 
              habe die Erfahrung gemacht, dass solche Wanderungen am besten in 
              dreierlei Form gemacht werden: entweder mit einem guten Feund, mit 
              einem guten Buch oder mit irgendeinem Problem, das seiner Lösung 
              harrt. Am Ende der Wanderung ist meist eine Lösung für 
              dieses Problem gefunden.  
            Die 
              Nacht vergeht ohne Zwischenfall, ausser dass ich mitten der Nacht 
              die Heizung ausschalten muss, es ist des Guten zu viel. Um fünf 
              Uhr ist Tagwache. Der Nescafe ist ohne Milch ungeniessbar, daher 
              wird er weggeschüttet, und statt dessen koche ich mir eine 
              Blaubeerensuppe, das Standardgetränk aller Langläufer. 
              Der Morgenstern blinkt noch vom Himmel und es ist ziemlich kalt, 
              so um die Null Grad, aber wieder strahlend blau. Über den Flüssen 
              liegt noch der Nebel.  
            Das 
              Gas abschalten, Toilettenbesuch nicht vergessen und schon kann es 
              losgehen. Gleich hinter der Hütte geht es erst einmal steil 
              bergab zum Bach und dann gleich wieder steil bergauf. Schon ist 
              die Marschhöhe erreicht und es geht fast eben dahin auf Bohlen 
              durch einen ziemlich offenen Birkenwald.  
            Durch 
              die Savanne 
             Die 
              Schönheit der Natur und das Zusammenspiel von Wetter und Umgebung 
              tut fast weh in den Augen. Das Herz wird ob so viel Schönheit 
              weit und ich bin dankbar, dass ich all diese Herrlichkeit schauen 
              darf. Die Birken lösen sich aus dem Nebel, dahinter steigen 
              die noch dunklen Berge empor - und alles liegt beinahe unwirklich 
              eingebettet in die allumfassende Ruhe. Ich war in meiner Jugend 
              ein paarmal in Afrika und hier diese Gegend erinnert mich in ihrer 
              Weite an die afrikanische Savanne.  
            Hoppla, 
              nicht zuviel träumen - die Bohlen sind eisglatt durch den Nebel 
              und die niedrigen Temperaturen. Weiter geht es über einen Höhenrücken 
              mit Blick über das Samendorf am Kutjauresee. Nach zwei Stunden 
              komme ich zur Hängebrücke über den Vuojatätno, 
              wo auch die Pfade von Kuthaure und Vaisaluokta auf den Padjelantapfad 
              stossen.  
            Die 
              Hängebrücken sind toll gebaut und der Fluss ist ein Erlebnis, 
              allein wegen seines glasklaren Wassers. An der Brücke mache 
              ich eine kurze Rast und trinke den Rest der Blaubeeerensuppe, verdünnt 
              mit dem sauberen Flusswasser. Ich lasse den Blick über die 
              Berge in der Ferne (NO) schweifen und bin wirklich beeindruckt ob 
              der Höhe und der Vielzahl dieser vergletscherten Riesen.  
            Nach 
              Låddejokko sind es elf Kilometer, nach Kisuris dreizehn, nach 
              Änonjalme achtundzwanzig und nach Vaisaluokta vierundzwanzig. 
              Langsam dringe ich immer weiter in den Padjelanta vor und die Abstände 
              zur Zivilisation vergrössern sich dramatisch. Ehe ich allzu 
              viel daran denke, schultere ich meinen Rucksack und mache mich wieder 
              auf den Weg.  
            Das 
              Sallohaure Samenlager liegt mitten auf einer Landverbindung im Wasser 
              des Sees. Vor mir weist ein Vulkankegel den Weg.  
            Adler 
              kreisen, Wildgänse schnattern 
               
              Ein aufgeregtes Schnattern lässt mich zusammenfahren. Es klingt 
              wie wenn in einem Handy mehrere Teilnehmer durcheinanderreden würden. 
              Ich spähe umher, nichts zu sehen. Dann ein Blick nach oben 
              - hunderte Wildgänse ziehen in Dreikantformation über 
              mir gegen Süden. Sie unterhalten sich angeregt. Plötzlich 
              fliegen alle auf einen gigantischen Haufen durcheinander. 
             Mir 
              ist nicht klar, was ihre plötzliche Aufregung verursacht hat, 
              dann erst sehe ich weit über ihnen einen weissen Punkt. Ein 
              Adler schwebt dort auf Suche nach einer leichten Beute. Daher das 
              Durcheinander - eine Schutzmassnahme gegen die scharfen Fänge 
              des Adlers. Erst als der Raubvogel elegant abdreht, nehmen die Wildgänse 
              wieder ihre Formation auf.  
            Jetzt 
              beginnt eine ziemliche Steigung, die noch dazu recht lang dauert. 
              Immerhin entschädigt mich der Blick auf den Vastenjaure für 
              die Anstrengung. Ein Rentierzaun, vorher noch eine winzige Furt, 
              die ich trockenen Fusses bewältigen kann. Ein grosser Stein 
              lädt ein zur Rast.  
            Mit 
              Besorgnis stelle ich fest, dass mich die Augen leicht brennen. Ich 
              habe keine Sonnenbrillen mit. Hoffentlich wird nichts Schlimmes 
              daraus. Auch die Butter aufs Brot fehlt mir. Habe ich anscheinend 
              im Hotel liegengelassen. Um dreizehn Uhr habe ich einen ersten Blick 
              auf die Låddejåkkåhütten.  
            Diese 
              liegen direkt am Fluss gleichen Namens. Låddejåkkå 
              bedeutet "Vogelbach" und das Delta des Flusses ist auch 
              reich an Piepmätzen. An der Hütte ist ein Schild angebracht: 
              "Aus Anlass des 50. Geburtstags von König Carl Gustaf 
              hat am 30. April 96 das Militär den Weg nach Arasluokta mit 
              Bohlen versehen."  
            Direkt 
              an der Brücke über den Låddejåkkå sind 
              tolle Gletschermühlen ausgewaschen. An der Brücke geht 
              es geradeaus den Berg hoch, nicht den Fluss entlang. Der Pfad steigt 
              jetzt allmählich, aber stetig. Vor mir lockt ein riesiger Gipfel 
              mit einem grossen Schneefeld. Könnte der Laujektjokko sein, 
              ich bin mir aber nicht ganz sicher.  
            Auch 
              Transportstrecken müssen sein 
               
              Jetzt kommt eine dieser Strecken, die dem Weitwanderer einfach als 
              Tansportstrecken in Erinnerung bleiben. Laufen, laufen, laufen. 
              Jeder Kilometer wird zur Qual, der Rucksack wiegt plötzlich 
              - im Unterschied zum frühen Morgen - um zwanzig Kilo mehr und 
              alle Konzentration schränkt sich darauf ein, voranzukommen 
              und endlich "da" zusein. So manches Stossgebt wird gegen 
              Himmel geschickt.  
            Ich 
              mache mir das Vergnügen, anstatt den Namen der Heiligen, die 
              in so einem Falle angerufen werden, die Namen aller guten Freundinnen 
              einzusetzen, die ich so im Laufe des Lebens gekannt habe. Da geht 
              es sich gleich leichter und vor allem ist es recht kurzweilig, wenn 
              ich bei dem einen oder anderen Namen stutzig werde und mir auszumalen 
              suche, wie es ihnen wohl im Leben ergangen ist. 
            Rast 
              am Rauk 
             Schon 
              von weitem ist ein Rauk, also eine Steinformation, die in der Eiszeit 
              entstanden ist, auszumachen. Dort will ich rasten, doch als ich 
              näher komme, muss ich feststellen, dass der Platz bereits besetzt 
              ist. Zwei deutsche Maschinenbaustudenten aus Dresden haben es sich 
              bequem gemacht und futtern Müsli. 
             Der 
              eine stopft sich die Flocken gleich so in den Mund und trinkt aus 
              seiner Wasserflasche dazu, der andere hat sich sein Müsli mit 
              Wasser abgerührt. Die beiden sind schon einige Zeit unterwegs, 
              sie haben schon den Kebnekaise hinter sich - bei strahlendem Wetter 
              - und sind jetzt auf dem Weg zum Sulitelma Nationalpark und dann 
              weiter zu den Lofoten.  
            Eine 
              Viertelstunde später überschreite ich den höchsten 
              Punkt dieser Etappe (800m) und bald schon kommt der Virihaure in 
              Sicht. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees ist ein riesiger 
              Gletscher auszumachen, nach eine Blick auf die Karte frage ich mich, 
              ob das der Blåmansisen sein kann.  
            Dennoch 
              dauert es noch eine gute Stunde, ehe die Lappensiedlung mit ihrer 
              Kirchenkate in Sicht kommt und nach genau zehn Stunden Marsch bin 
              ich bei der Hütte Arasluokta angekommen. Wohlweislich drehe 
              ich die Heizung ab, ehe ich nach der obligaten Suppe mit Speck ins 
              Bett falle. Ich glaube ich schlafe, noch ehe mein Kopf den Polster 
              berührt.  
            Halb 
              sieben am nächsten Tag ist Abmarsch. Ein kalter Wind weht, 
              aber das Wetter hält. Das grenzt schon beinahe an ein Wunder, 
              denn die Berichte, die ich gelesen habe, erzählen von tagelangen 
              Regengüssen und die Leute sind froh, wenn sie auf ihrer Wanderung 
              einen Zipfel blauen Himmels sehen. Und ich habe schon den dritten 
              Tag Superwetter. 
            Gebiet: 
              Der Padjelanta Nationalpark liegt im Welterbegebiet Laponia. 
              Flugplatz: 
              Gällivare.  
              Bahnhof: Gällivare (Direktzug mit Schlaf- und Liegewagen 
              von Stockholm)  
              Bus Gällivare-Ritsem fährt vom Bahnhof. Guter Anschluss. 
              Fährmann in Ritsem: Josef Pittja 070-2418369.  
              Hotel Dundret, Per Högströmsgatan 1, S-982 31 Gällivare 
              0970-550 40. Turistbyrå Gällivare, Bahnhofsnähe: 
              0970-166 60.  
              Fährmann in Kvikkjokk: Björn Sarstad 0971 210 12, 
              oder Kent Arvidsson 010 664 16 98.  
              Anmerkung: Im Juli und August verkehren die Boote nach festem 
              Fahrplan dreimal am Tag.  
              Hubschrauberservice: Lapplandsflyg 0971 21040.  
              Årrenjarka Ökodorf: Hütten und Camping, Gun 
              und Lasse 0971-230 Vorbereitungen: Wie für jede andere 
              Weitwanderung. 
              Karte: BD9 Padjelanta - Sulitelma 
              Ausrüstung: Wanderausrüstung, Regenschutz, Handschuhe 
              und Mütze. Sonnenbrillen. Gelsenschutz. Verbandszeug, Schmerztabletten, 
              Heftpflaster, Taschenlampe, Kerzen, Zündhölzer. Schlafsack 
              oder Hüttenschlafsack, Lesestoff.. 
              Kosten: 
              Bus Gällivare - Ritsem SEK 130.- , Kvikkjokk - Gällivare 
              SEK 130.-, Fährmann Ritsem - Akka SEK 350.-, über den 
              Brobäcken in Kvikkjokk SEK 75.- 
            Abstände: 
              Ritsem - Akkastugorna: 10 km (davon 8 km mit Schiff) 
              Akkastugorna - Kisurisstugorna: 14 km 
              Kisuris - Låddejåkkå: 24 km 
              Låddejåkkå - Arasluokta: 13 km 
              Arasluokta - Staloluokta: 12 km 
              Staloluokta - Tuottar: 19 km 
              Tuottar - Tarraluoppal: 11 km 
              Tarraluoppal - Såmmarlappa: 15 km 
              Såmmarlappa - Tarrekaise: 13 km 
              Tarrekaise - Njunjes: 7 km 
              Njunjes - Kvikkjokk: 11 km 
            Hier 
              beschrieben:  
              Ritsem - Kisuris (24 km) 
              Kisuris - Arasluokta (37 km) 
              Arasluokta - Tuottar (31 km) 
              Tuottar - Såmmarlappa (26 km) 
              Såmmarlappa - Kvikkjokk (31 km) 
            Fortsetzung: 
              Padjelanta 2 
               
             
              
            
             
               
              Last 
              Updated: Donnerstag, 4. September 2008 
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl  
ISDN 
            1101-9840 
              
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