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Unterwegs mit dem Fahrrad in:

Umeå/Västerbotten

 

RADAUSFLUG AUF DEM UMELEDEN I

Um es gleich zu sagen. Die Umgebung von Umeå kann sowohl mit dem Auto als auch mit dem Fahrrad erkundet werden. Wenn immer möglich verwenden Sie das Fahrrad, denn die Fahrradwege führen grösstenteils direkt am Fluss entlang und die Fahrt wird so zu einem richtigen Erlebnis, während die wiewohl gut beschilderte Autoroute nur eine Autoroute von vielen ist.

Man wird uns bei diesem Thema vielleicht der Voreingenommenheit zeihen können, aber wir finden, dass nur beim Radfahren die Natur mit ihren Blumen und verschiedenen Gerüchen so intensiv erlebt wird, wie sie es verdient und weshalb wir ja eigentlich hierher gekommen sind.

Die Länge schreckt vielleicht so manchen ab: 40 km, aber diese Route lässt sich leicht in zwei aufteilen. Und zwar kann man den ersten Teil der Route vom Zentrum über die Brücke in den Stadtteil Teg, von dort nach Röbäck, dann zur Umeå Trabrennbahn, von dort nach Backböle über die Brücke und wieder zurück nach Umeå nehmen und dann am zweiten Tag den - unserer Meinung nach erlebnisreicheren Teil angehen.

Der Radweg ist gut beschildert "Umeleden" und an allen sehenswerten Stellen sind Schilder auch auf Englisch und Deutsch angebracht, die erzählen, was hier im Lauf der Geschichte so vorgefallen ist.

Die Landschaft ist weit, Landwirtschaft überwiegt in Stadtnähe, erst ab der Trabrennbahn kommt Wald auf. Keine nennenswerten Steigungen, nur nach der Trabrennbahn wird der Radweg von den Trabern als Trainingsstrecke benützt, wodurch der Radweg zentimetertief aufgewühlt ist und das Radfahren so ziemlich unmöglich wird. Hier zahlt es sich aus, ungefähr fünf Kilometer auf die Bundesstrasse auszuweichen. 

Meist hat man einen schönen Blick über den Fluss, der hier an die hundert Meter breit ist. Heuhütten stehen auf den Wiesen und das Land wird weit und gross. Es ist immer wieder unglaublich, wie dünn Schweden besiedelt ist.

Bei Klabböle liegt das Energiezentrum, wo um die Jahrhundertwende eines der ersten Kraftwerke in Betrieb gegangen ist. Heute befindet sich hier ein Freilichtmuseum, das wie meistens in Schweden sehr pädagogisch aufgebaut ist. Auf dem grossen Kinderspielplatz können sich die Kinder richtig austoben. Auf einer Insel im Fluss wurde ein altes Sägewerk aufgebaut.

Diese alten Sägen machen die für uns heute unvorstellbar harte Arbeit und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen, unter denen die Menschen noch vor hundert Jahren geschuftet haben, so richtig nachvollziehbar. Es ist gut, dass es solche Museen gibt, um uns klar zu machen, wie froh wir über unsere Fortschritte sein können. Ich glaube, niemand, der seine sechs Sinne beinander hat, wird mit jener Zeit tauschen wollen.

In Klabböle ist auch die Aluminiumrinne zu sehen, durch die Holzstämme mehrere hundert Meter am Kraftwerk vorbei geflösst wurden. 150.000 Baumstämme wurden jährlich auf dem Umefluss geflösst. Bis so ein Holzstamm von den Bergen an der norwegischen Grenze bis zum Verschiffen in Umeå angekommen war, konnten oft bis zu zwei Jahre vergehen! Erst in den Siebzigerjahren dieses Jahrhunderts wurde das Flössen eingestellt.

Die Bilder zeugen von der gefahrvollen Arbeit der Flösser. Oft mussten die ineinander verkeilten Baumstämme mit Dynamit gesprengt werden, um den Fluss wieder frei zu machen. Dynamit wurde übrigens erst 1860 von Alfred Nobel erfunden.

Von Klabböle führt eine Hängebrücke über den Fluss nach Baggböle. Damit kann die Fahrt nach Umeå zurück angetreten werden. Ein kleines Detail noch: Am Hang steht ein Herrenhaus. Dieses wurde von James Dickson aus Göteborg gebaut. Der Ort heisst Baggböle.  Von den etwas anrüchigen Geschäftsgebarungen des James Dickson und seiner Kumpane zeugt heute noch der Ausdruck "baggböleri", womit nichts anderes bezeichnet wird als aus Geschäften mit einfältigen Bauern Vorteile herausschlagen.

Besagter James Dickson erbaute sich mit dem durch diese "baggböleri" erbeuteten Geld einen tollen Herrensitz in Tjolöholm südlich von Göteborg. James Dickson galt damals als einer der reichsten Männer Schwedens. (John Steinbeck hat zu diesem Thema einen schönen Beitrag geleistet: "The Winter of our Discontent", dieses Shakespearezitat heisst im deutschen Titel etwas lapidar: "Geld bringt Geld").

Auf dem Rückweg nach Umeå kommen wir an der Kirche von Backen vorbei, es gibt auch Kriegergräber aus dem finnischen Krieg 1808-09 zu besichtigen.

1588 wollte König Johan III hier eine Stadt gründen, eben Umeå. Da die Stadt hier heroben gelegen war, wurde nichts Rechtes daraus und erst 1622 wurde Umeå dort, wo es jetzt liegt, also ein paar Kilometer weiter stromabwärts von Gustav II Adolf gegründet. Achtung: die Kirche ist aus uns unerklärlichen Gründen nur von 12-16 Uhr geöffnet.


RADAUSFLUG UMELEDEN II

Heute fahren wir auf dieser Seite des Flusses direkt vom Stadtzentrum den Radweg entlang dem Fluss hierher. Es geht immer neben dem Fluss entlang und diese Streckenführung ist eigentlich viel schöner und unterhaltender als auf der anderen Seite.

Gleich hinter Baggböle beginnt das Arboretum Nord. Eine wirklich sehr gute Idee eines Bürgers von Umeå. Er hat Pflanzen, Büsche und Bäume aus aller Welt hierher verpflanzt. So kann man asiatische, amerikanische und europäische Sträucher und Bäume hier sehen.

Von Sacchalin in Japan, aus Nordkorea, aus China, aus Kanada und Nordamerika. Ajan-Tannen, nordkoreanische Fichten, Kamtschatka Birken, alle gedeihen hier. Den Vögeln macht das auch nichts aus - sie zwitschern und umschwirren die Bäume, die von weither gekommen sind. 

Etwas weiter vorne macht ein Schild auf Petrus Kenicius Bothniensis aufmerksam, den ersten Bischof aus dieser Gegend, der es bis zum Universitätskanzler von Uppsala brachte und in Wittenberg und Rostock studiert hatte.

Wie oft im Leben liegen auch bei Peter Kenicius Freud und Leid nahe bei einander, so verbrachte auch er unter dem einen König wegen ketzerischer Gedanken eine Zeitlang im Gefängnis, während ihn der nächste König aus dem Gefängnis holte, rehabilitierte und mit Ehren überhäufte.

Gleich hinter Kåddis, wo eine einsitzige Seilbahn über den Fluss führt, mittels der man sich auf die gegenüberliegende Seite "hanteln" kann, kommen wir an Brännland vorbei. Brännland ist ein Überrest eines alten schwedischen Brauchs.

In früheren Zeiten hatte Schweden ein stehendes Heer. Den Soldaten wurde in Friedenszeiten ein kleiner Bauernhof zugeteilt. Die Soldaten nahmen denn auch oft die Bezeichnungen ihrer Gehöfte als Namen an. "Fromm" oder "Biber" sind Beispiele für solche "nome de guerre".

Hier in Brännland hatten Soldaten von 1680 bis 1904, als das stehende Heer durch ein Wehrpflichtigenheer abgelöst wurde, mehrere Bauernhöfe. Diese sind heute in ein, nach der Besucherzahl zu schliessen, sehr beliebtes Gasthaus umgewandelt worden.

Jetzt geht es ein paar Kilometer auf der Bundesstrasse nach Vännäs entlang, ehe wir bei einem Konsum wieder links abzweigen. Wer sich für Felszeichnungen interessiert, sollte allerdings noch zwei Kilometer weiter treten.

Die Felszeichnungen von Norrforrs sind vielleicht nicht so sehr als solche interessant, was uns aufregender vorgekommen ist, weil es unser ganzes Dasein in eine völlig neue Perspektive geschoben hat, war die sinnige Idee, auf dem Geländer, das den Weg zu den Felszeichnungen umgibt, rechter Hand Ereignisse, die für Schweden schwerwiegende Bedeutung hatten, linker Hand Weltbewegendes gegenüberzustellen.

Wie kurz und geballt nimmt sich doch unsere Geschichte in Europa aus, während die Entwicklung in Mesopotamien und im Mittleren Osten vor vielen tausend Jahren ihren Anfang genommen hat. Die Hamurabbischriften wären ein Beispiel Als diese entstanden sind, da war hier in Europa nichts, ausser vielleicht ein paar streunenden Elchen, während an anderen Stellen der Welt weitentwickelte Kulturen ihrem Höhepunkt zustrebten. Das regt zum Nachdenken an.

Dann geht es weiter zum Kraftwerk Norrforsen, immerhin das grösste Wasserkraftwerk Schwedens. Bevor wir dorthin kommen, wird der Fluss überquert. Ungefähr zwanzig Meter von der Brücke flussaufwärts ragt ein einsamer Pfeiler aus den Fluten. Das ist der letzte Rest der ersten Brücke über den Umefluss, die vor fast zweihundert Jahren von den sich zurückziehenden schwedischen Soldaten in Brand gesteckt wurde, um ein weiteres Vorrücken der russischen Soldaten zu verhindern.

Gleich hinter der Brücke erwartet uns die einzige, aber dafür sehr langgezogene Steigung auf dieser Fahrt. Durch Sörfors geht es dann schon leichter - es ist erstaunlich, wie gepflegt die Häuser sind. Und woher die Leute das Geld dafür nehmen. Im weiten Umkehr gibt es nämlich nichts. Keine Industrie, keine Niederlassungen, nichts.

Wehr am UmeflussAm Kraftwerk ist die Lachstreppe interessant, also hier springen die Lachse, die zum Laichen in den Vindelfluss ziehen, aber von der Staumauer des Kraftwerks gehindert werden, hinauf. Leider waren  bei unserem Besuch zwei der vier Generatoren des Kraftwerks durch einen Blitzschlag ausser Gefecht gesetzt, wodurch die Wehr geöffnet war und zehn mal soviel Wasser herunterdonnerte wie gewöhnlich. Dadurch konnten die Lachse nicht den Eingang zu ihrer Lachstreppe finden und daher war es nichts mit dem Lachsebeobachten.

Aber die brausenden Wasser des Umeflusses waren auch beeindruckend. Denn da kann man sich vorstellen, wie es früher ohne Staumauern ausgesehen hat. Die Überschwemmungen im Frühjahr und die reissende Gewalt der ungehemmten Wassermassen stellt man sich lieber nicht vor.

Ich bin an sich kein Freund von Eingriffen in die Natur - allerdings, wenn diese Natur zur alles bedrohenden Gewalt wird, die an einem Tag alles Menschenwerk, das in Generationen aufgebaut wurde, zunichte machen kann, dann erscheint mir eine Befriedung dieser Naturgewalten denn doch angebracht.  

Das eigentliche Kraftwerk liegt vier Kilometer stromabwärts. Ein Besuch im Kraftwerk zahlt sich aus, denn es erzeugt mit seinen 2 Milliarden Kilowattstunden jährlich ungefähr den Wochenverbrauch für ganz Schweden.

Fünfzig Prozent des schwedischen Strombedarfs werden durch Wasserkraft erzeugt, der Rest kommt aus der Kernenergie. Wind- und Sonnenkraftwerke spielen so gut wie keinen Rolle.

Führungen gibt es um zehn, fünfzehn und sechzehn Uhr. Die Besichtigung ist beeindruckend, nicht zuletzt weil das Wasser durch einen 75 Meter hohen Schacht an die Turbinen herangeführt wird. Allerdings stehen bei unserem Besuch zwei der vier Generatoren still. Das kostet das Kraftwerksbetreiber am Tag 600.000 Kronen (ca. €70.000.-), was einen deutschen Besucher zu folgender Bemerkung veranlasst: "Na, dann werden die Ingenieure ja wohl rund um die Uhr arbeiten".

Nach einem suchenden Blick durch den Raum, der menschenleer ist, meint er: "Wo sind eigentlich alle Leute, bei uns in Deutschland wäre es jetzt hier wohl voller Experten …" erhält er nach einem prüfenden Blick unserer Führerin auf die Uhr eine typisch schwedische Antwort: "Ach, wissen Sie, es ist ja schon halb vier und noch dazu Freitag, da ist niemand mehr da. Ausserdem sollten unsere Generatoren durch einen Blitzschlag eigentlich keinen Schaden nehmen".

Tja, wenn sich die Generatoren nicht an die Spielregeln halten, sind sie anscheinend selber schuld. Und zahlen wird letztendlich der Verbraucher, also der schwedische Steuerzahler. Warum also Überstunden machen, wo doch draussen die Sonne scheint und der Badesee lockt.

Von hier geht es geradeswegs nach Umeå zurück - ausser man bleibt an einem der vielen Grillplätze stehen und legt eine wohlverdiente Rast ein, schaut über den Fluss und lässt sich die Sonne auf den Bauch scheinen.

Umeå Camping & Stugby
S-903 26 Umeå
Tel: +46 90  16 16 60
Fax:+46 90 70 26 10
www.umea.camping.se
e-mail: umea.camping@bfc.umea.se


Last Updated: Freitag, 14. Oktober 2011
Copyright 1999-2011 Dr. Eduard Nöstl

ISDN 1101-9840

 





 

 

 

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