. Blitzcheck: . .. .

 

Västerbotten

Reiten am Vindelfluss

Katharina Åberg lebt mit neun Pferden, zwei Angorahasen, der Schäferhündin Tina und ihrem Freund auf dem eigenen Bauernhof, total abgelegen in einem Dorf der Wildnis des Vindeltales, Lappland. Im Winter kommen ausserdem sechs Elche auf den Hof und werden durchgefüttert.

Von Eduard Nöstl


Lappland erlebt man am besten zu Fuss, mit dem Drahtesel, oder auf dem Pferd, im Winter ist der Hundeschlitten ein beliebtes Transportmittel. Denn nur im direkten Kontakt mit der Natur, wenn man riecht, sieht, atmet, schmeckt und spürt, wenn sich alle Sinne öffnen können und aktiviert werden, wird sich der Zauber des Nordens dem Besucher richtig offenbaren.

"Du fährst von Vindeln 9,5 km Richtung Botsmark und dann dem Schild Tillflykten nach den Berg hinauf, nach 3 Kilometern bist du da," hatte Katharina am Telefon gesagt, als ich mich zum Zweitagesritt angemeldet hatte.

Auf einer Anhöhe in den Weiten nordschwedischen Wäldern gelegen, ist es hier total abgeschieden, man fühlt sich an Wolfgang Hohlbeins unendlichen "Schwarzeichenwald" erinnert, nur dass es sich hier nicht um Eichen, sondern um Fichten und Föhren handelt, die sich in jeder Himmelsrichtung bis zum Horizont erstrecken. Im Sommer mag das ja angehen, aber was wird, wenn König Winter seinen weissen Mantel über das Land breitet? Lieber nicht daran denken, sondern das frische Grün in allen Schattierungen des Sommers geniessen.

Bei diesen Ausritten wird das Gepäck per Auto an den jeweiligen Zielort für die Nacht mitgeliefert, oder ganz fachgerecht auf Packsätteln mitgeführt. Ein Nachteil bei letzterer Transportart ist, dass dadurch beim Traben oder im Galopp immer wieder ein Teil verlorengeht, ein Schlafsack oder eine Isomatte, was nicht sehr lustig ist. Grundsätzlich ist zu sagen, dass ausser gutem Sitzfleisch kaum Reitkenntnisse verlangt werden - meist geht es im Schritt durch Wald und Flur.

Zünftiges Lagerfeuer am VindelflussNach ein paar Minuten kommen wir auf eine Lichtung im dichten Föhrenwald. Linkerhand ein Blockhaus, rechterhand ein alter Stall mit der "Saloon". Davor ein Rentiergeweih, malerisch mit einem Lasso umwunden. Hier in Lappland ist das Lassowerfen ein beliebter Sport, den Lappen abgeschaut, bei dem der angehende Rentierhirte seine Geschicklichkeit beweisen kann.

Eine Wiese mit ein paar Bäumen ein Roggenfeld und rundherum der ewige Wald. Kein Geräusch durchbricht die Stille. Die Luft ist klar und angenehm kühl.

Nach ein paar Minuten Pferdegetrappel. Katharina kommt mit den übrigen Gästen. Katharina reitet einen hellen Fuchs, der nervös auf dem schmalen Waldweg dahertänzelt. Das dunkle Haar der jungen Frau fliesst offen über ihre Schultern, sie scheint mit dem Pferd verschmolzen und lenkt es sicher in die Mitte der Lichtung. Der Rest der Gruppe, drei Frauen und ein Mann, trappeln hinterher. Bei den Pferden handelt es sich offensichtlich um Halbblütler, nordschwedische Traber, die sich nicht gerade durch ihr Temperament auszeichnen, aber wegen ihrer Zuverlässigkeit und Ausdauer beliebt sind.

Katharina springt aus dem Sattel und bindet ihr Pferd an einen Baum, die andern tun es ihr gleich. Bei der Begrüssung fallen mir ihre strahlenden, grünen Augen auf, die freundlich und herablassend die Umgebung zur Kenntnis nehmen, Es besteht kein Zweifel, dass diese Frau genau weiss, dass alles hier auf sie zugeschnitten ist, von ihr erdacht und durch sie zu Leben erweckt. Ihr offensichtliches Selbstbewusstsein wird nur durch ihre Freundlichkeit gemildert und erträglich.

Erst später sollte mir klar werden, dass diese beinahe körperlich spürbare, zur Schau getragene Überlegenheit nichts anderes als ein Schutz ist, ein Schutz vor der harten Natur und vor den allzu neugierigen Fragen und Blicken der Menschen rundherum. Katharina managt ihren Betrieb und hat früh gelernt, sich nur auf sich selber zu verlassen, sich von der Umgebung keine Hilfe zu erwarten.

Bald zieht der heimelige Geruch eines flackernden Holzfeuers über die Wiese. Zum Abendbrot gibt es zünftige und bei derlei Ausritten, egal ob in Wyoming oder Nordschweden, obligate Spareribs, also Schweinsrippchen und weisse Bohnen, direkt über dem Holzfeuer gebraten. An der frischen Luft schmeckt es wohl doppelt so gut wie im besten Restaurant.

Der Rest des Abends wird mit Geschichtenerzählen verbracht, wer wo in welchen Umständen und unter welchen Bedingungen vom Pferd gefallen ist - solche Geschichten am Lagerfeuer, unter einander wildfremden Menschen, die nur das Interesse an den Pferden und der Natur zusammenhält, dürften sich auf der ganzen Welt ähneln.

Müde ziehen wir uns zu später Stunde in das Lappenzelt zurück, das mit Rentierfellen richtig gemütlich hergerichtet wurde. Die Nacht ist traumlos, tief und schwer.

Der nächste Morgen weckt uns mit ersten Sonnenstrahlen und sofort bricht eifrige Geschäftigkeit im Lager aus. Das Feuer wird angemacht, ganz ohne Papier, statt dessen werden Flechten, die wie Zunder trocken an den Kiefern hängen, verwendet. Trockenes kleines Geäst macht das Feuermachen zur Spielerei, Schon hängt der Kaffeekessel über dem Feuerchen - wie immer wird hier in Nordschweden der Kaffee gekocht, was ihm eine ganz besondere Note verleiht.

Das Frühstück ist herzhaft und kräftig, was wir auch brauchen werden, denn für heute ist ein Ritt quer durchs Gelände angesagt. Doch vorher wollen wir noch unsere Geschicklichkeit mit dem Jagdbogen und den (Luft-)Pistolen erproben, wer will, kann auch Goldwaschen. Unsere Runde ist ziemlich kriegerisch, da alle unison nach dem Bogen greifen.

Aufsitzen und ab geht die PostUnter der fachkundigen Anleitung unserer Amazone, lernen wir den Bogen fachgerecht zu spannen, Kimme und Korn zu erkennen und nach ein paar Probeschüssen sitzt bereits der erste Pfeil im Blatt des aufgemalten Hirsches. Unter Applaus der übrigen Gäste macht der Bogen die Runde, dann geht es zu den Pistolen, doch Katharina mahnt langsam zum Aufbruch.

Wir satteln unsere Pferde, aufgessesen, und schon traben wir hopp, hopp, hopp, auf einem Sandweg in den Wald. Für heute hat Katharina den anderen Gästen eine zünftige Galoppstrecke versprochen - kein Wunder bei den perfekten Reitwegen, die sich hier auftun. Kein Mensch weit und breit, keine Maschine stört die sagenhafte Ruhe, nur das Getrappel der Hufe begleitet uns, und auch das wird vom Sandboden gedämpft.

Der Wald wird immer dichter, nur zeitweise sehen wir in der Ferne ein verlorenes Gehöft. Nach einer halben Stunde habe ich total die Orientierung verloren, jetzt können wir uns nur auf unsere Führerin verlassen. Diese ist gut aufgelegt, singt und lacht, erzählt auch ein wenig über Landschaft und Pflanzen, und endlich geht es im Galopp einen langgezogenen Weg bergauf. Ich habe inzwischen auch meine Mähre einigermassen in den Griff gekriegt, und daher können wir uns alle dem angenehmen Gefühl des galoppierenden Pferdeleibes hingeben. Die Gesichter röten sich, die Augen strahlen - was kann es schöneres geben, als so durch unberührte Natur dahinzugaloppieren?

Allzuschnell ist der Spass wieder vorbei und wir lassen die Pferde im Schritt am langen Zügel über ein Hochplateau gehen. Nach der Durchquerung eines Waldstücks kommen wir zur einer Lichtung, auf der wir Halt machen. Wir lagern uns im Halbkreis und auf unsere erstaunte Fragen, wieso denn hier mitten im Wald eine ziemlich grosse Lichtung wie ausgemessen liegt, klärt uns Katharina über das harte Leben der früheren Siedler auf.

Hier wohnten bis in die Vierzigerjahre Kleinbauern, elf Kinder zeugten sie, und lebten von dem, was der karge Boden hergab. Viel kann das nicht gewesen sein und von der guten Luft allein kann man auch nicht überleben. Kein Wunder, dass die Kinder eins nach dem andern weggezogen sind. Erstaunlich ist nur, wie schnell die Natur die Spuren menschlichen Bemühens verwischt hat. Nichts zeugt mehr von der Hand des fleissigen Mannes - der Wald holt sich alles wieder in seiner unendlichen Zeitrechnung, die so anders ist als die unsere.

Nach einer Zigarettenlänge heisst es wieder aufsitzen. Der Weg verwandelt sich in Morast, die Pferde saugen gierig das bisschen Nass auf und dann geht es einen Hang hinunter. Frische Elchspuren sagen uns, dass wir nicht allein sind. Leider kriegen wir keinen Elch zu Gesicht.

Eine letzte Galoppstrecke und plötzlich tauchen vor uns Pferdekoppeln auf. Das letzte Stück ist so schnell gegangen, dass wir im Brausen des Erlebens völlig die Zeit übersehen haben. Schade, dass es vorbei ist, die beiden Tage haben aus unserer Gruppe eine verschworene Gemeinschaft gemacht, eine Gemeinschaft die gern noch länger hätte andauern können.

Was gibt es sonst noch in der Gegend?

Kanutour

Winterabenteuer

Wandern



Last Updated: Donnerstag, 4. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl

ISDN 1101-9840

 





 

 

 

Warum Schweden FAQ Contact Us Wir über uns Home Zurück zum Anfang Contact Us Ferienhausinfo Home