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Paddeln in Värmland

Röjdan Värmland

Kanutour auf dem Flüsschen Röjdan in Värmland
4 Tage, 2 Tragestrecken (50 m und 10 m), familienfreundlich


Das Flüsschen Röjdan rauf und runter, vier Tage, Ziel ist eine Insel in einem schönen See, wie überhaupt diese Tour sich aus Fluss und mehreren kleinen Seen zusammensetzen würde. Klingt ja gut. Vildmark Värmland, wo wir die Kanutour bestellt haben, also "Wildnis in Värmland" klingt vielversprechend und die Stimme am Telefon hatte ja auch ganz vertrauenerweckend geklungen, als sie uns unsere Kanutour beschrieben hatte. Um 14.00 Uhr sind wir in Torsby. Pünktlich wie die Uhr. Die Fahrt von Lund über Växjö, wo wir unseren Hund abgeben, weiter über Jönköping, Mariestad, Kristinehamn, Karlstad ist ohne grössere Probleme verlaufen und wir sind guter Dinge und harren gespannt darauf, was uns jetzt wohl erwarten wird.

von Eduard Nöstl


Kaum sind wir aus unserem gelben Bomber, ich hatte zur Feier des Ereignisses einen Beetle gemietet, geklettert, kommt schon ein Mädchen auf uns zu und stellt sich als Susanne von Vildmark Värmland vor. Fester Händedruck, kurze Frage nach der Fahrt und dem werten Befinden, alles okay, gut, dann können wir gleich mit dem Gepäck verladen anfangen.

Moment, Moment, das, was für Susanne Alltag ist, ist für uns etwas Besonderes, Aufregendes, nichts, was täglich auf der Tagesordnung zu finden ist. Hundert Fragen waren mir auf dem Weg hierher eingefallen, jetzt beschränkt sich mein ganzer Input in die Bitte um Langsamkeit. Ja, schon, nur, da wäre ja noch die andere Gruppe und ausserdem ... schliesslich einigen wir uns darauf, dass wir unser Kanu ausfassen und die Reiseutensilien. Auch bezahlen müssen wir erst, so, lies mal das durch und dieses Papier. Mir schwirrt der Kopf.

Von dem Gelesenen behalte ich so gut wie nichts, nur, dass wir uns verpflichten, für Schäden an Wald und Flur aufzukommen, die durch unachtsames Verhalten unsererseits entstehen sollten. Gottergeben setze ich meinen Namen überall hin, wo mir das angeschafft wird.

Immerhin, es läuft alles wie am Schnürchen. Bereits die Unterlagen per Post waren nicht in dem landesüblichen Dreitagesabstand gekommen, der gern von Tourismusverbänden angewandt wird, um eine Krone Porto zu sparen, sondern bereits am Tag nach dem Telefongespräch im Briefkasten, immer ein gutes Zeichen, denn es gibt nichts Schlimmeres, als sich auf etwas freuen zu wollen und warten zu müssen. Vorfreude ist immer noch die schönste Freude.

INTRO

Susanne verweist auf eine Seemannskiste, in der befindet sich ein Spaten, ein Plastiksäckchen für den Müll, "und den Müll tut ihr nach eurer Rückkehr ordentlich trennen und fein säuberlich in die dafür vorgesehene Tonne stopfen", höre ich mit halbem Ohr, der Wasserkanister kommt mir etwas klein vor für vier Tage, gut, dass wir unseren eigenen zehn Literkanister dabei haben, "ja, aber das Wasser zum Kochen könnt ihr direkt aus dem Fluss nehmen", und dann ist da noch eine Plane, fein säuberlich zusammengelegt auf dem Boden der Kiste.

Toll, die Leute hier scheinen an alles zu denken. Obendrauf liegt auf eine Sperrholzplatte aufgezogen die Landkarte, auf der unser Flüsschen eingezeichnet ist. Wegbeschreibung ist auf einem A4 Blatt genau abgedruckt. Schwimmwesten sind da. Also eigentlich sollte da nichts schief gehen. Zumindest vom Outfitter her haben wir sicher eine gute Wahl getan.

"Ach ja, du wolltest eine Tonne haben", erinnert sich Susanne, ja, das stimmt, denn erstens ist das "profimässig" mit diesen Tonnen und zweitens kann das recht gut sein, Schlafsack und andere wichtige Utensilien wasserdicht zu verpacken. Im Endeffekt landen unsere Schuhe darin, die Schlafsäcke und das Zelt.

Vor der Tür ist ein Frischwasserhahn, wo wir unseren Kanister anfüllen, dann fassen wir das Kanu aus, ein Aluminiumkanu, drei Paddel, zur Vorsicht ein Reservepaddel, das ist wichtig, denn seit ich bei meiner ersten Angelausfahrt auf einem recht grossen See mitten drinnen das Ruder abgebrochen hatte, und dann wie ein Gondoliere stundenlang im Kreis gefahren war, bin ich da vorsichtig.

"Wie sieht es mit einer Introduktion aus?" frage ich vorsichtig, denn schliesslich will man ja alles richtig machen und irgend etwas kann man immer lernen. Ausserdem soll Tochter Marie Therese (MTH) die Kunst des Kanupaddelns von Grund auf aus berufenem Munde lernen. Drittens glaubt man ja anderen Leuten immer mehr als dem eigenen Vater.

Susanne nimmt denn auch willig ein Paddel in die Hand, stellt sich neben dem Kanu auf und erklärt uns die Arten des Paddelns. Vorne wird nur gepaddelt, hinten sitzt der Steuermann. Ihm obliegt es, das Schiffchen im Kurs zu halten. Susanne setzt sich auf den Platz des Steuermanns und zeigt genau, wie das Ruder gehandhabt wird: "Das machst du, indem du das Paddel wie ein Steuerruder ins Wasser hältst und gegen die Fahrtrichtung drückst, hältst du es rechts ins Wasser, geht das Kanu nach rechts, links ist es umgekehrt".

Naja, das versteht ja sogar eine überzeugte Landratte wie ich.
"Eine Frage hätte ich noch", fällt mir ein, "wie sieht es mit der Gewichtverteilung aus?"

Susanne hat die Antwort parat: "Versucht, die Spitze des Kanus leicht zu halten, also hinten sollte es etwas schwerer sein".

Damit ist die Intro vorbei und Susanne enteilt zum Bahnhof, um eine Gruppe junger Leute abzuholen. MTH und ich beladen inzwischen unser Kanu. Was kriegt in der Kiste Platz? Das Essen, die Liegematten, Necessaire, Handtücher. Die Tonne, mein Riesenrucksack, als ausgepichter Wanderer entferne ich mich nie gern weit von meinem Rucksack, allerdings kann ich jetzt schon erkennen, dass ich problemlos die Hälfte meiner Utensilien zu Hause hätte lassen können.

Unter den Papieren von Vildmark Värmland war auch eine Ausrüstungsliste (s.u.) und die hätte vollkommen genügt. So aber hatte ich den Rucksack vollgestopft mit Socken, langen Unterhosen, Extrapullover, Biwaksack, noch einem Pullover usw.usf. Über den Rucksack hatte ich auch nochmals in einen grossen schwarzen Plastiksack gestülpt, damit er auch schön wasserdicht verpackt ist, falls ein Unglück passieren sollte.

So, jetzt haben wir unseren ansehnlichen Haufen Gepäck neben das Kanu gelegt, die Seemannskiste kommt hinten hin, Tonne und Rucksack vorn, die kleinen Rucksäcke verleihen der Kiste die notwendige Stabilität und die Wasserkanister kommen unter den Sitz. Regenkleidung wird neben Kiste und Bordwand gestopft. Alles wird locker mit dem Seil verbunden, das wir in der Seemannskiste gefunden haben. "Nicht festzurren, denn sonst kriegt ihr das Kanu nicht herum, wenn ihr kentert", hatte Susanne gemeint, "nur so locker anbinden, dass nichts verloren geht".

Der Fotoapparat liegt vor mir auf der Kiste (denn dass ich Steuermann sein würde, ist ja wohl klar, oder?)
Im letzten Moment hatte ich auf der Ausrüstungsliste das Wort Stiefel entdeckt und sie noch schnell ins Auto geworfen. Das war für diese Fahrt die beste Entscheidung. Denn bei jedem Landemanöver und Ablegemanöver, zumindest an den ersten Tagen, war es ein immenser Vorteil, wenn wenigstens einer von uns ins Wasser platschen konnte.

Inzwischen waren die Jugendlichen angekommen und wie das eben bei jungen Leuten so ist, entsteht hektisches Treiben. Paddel werden auf einer Hand balanciert, das Wassereinfüllen in die Kanister entwickelt sich zur ausgewachsenen Wasserschlacht, und wir machen, dass wir weiterkommen. Aha. Unser Kanu liegt vollgepackt an Land und lässt sich keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Hm. Da kommen schon zwei der Burschen und bieten ihre Hilfe an. Mit rotem Kopf nehme ich dankend an. MTH sitzt bereits erwartungsvoll vorne, Paddel in der Hand, wir drei schieben was das Zeug hält und siehe da, es bewegt sich doch. Ho ruck, Ho ruck, wir schwimmen!

DIE LEINEN LOS, WIR FAHREN!

Die ersten zwei Tage soll es flussaufwärts gehen. Da bin ich ja gespannt. Hier im Ort merkt man nichts von einer Strömung. Da vorne ist die erste Brücke, schön in der Mitte halten, kein Problem. Das Selbstvertrauen wächst, die Sonne scheint und hinter der nächsten Kurve nimmt die Strömung zu.

Hm, wir paddeln und paddeln und kommen einfach nicht weiter. Wie ist das nur möglich? Das sollte doch eine reine Familienstrecke sein? Ich lege mich ins Zeug und paddle wie ein Wilder. Nach kurzer Zeit spüre ich, wie mir der Schweiss aus allen Poren tritt. Die Schwimmwesten sind die reinsten Wärmestrahler. Jetzt gleiten wir auch noch genau hinein in die Strömung und werden verdammt nahe an ein paar grosse Steine getrieben, die am Flussufer aufragen. Ich paddle frenetisch wie Donald Duck, wenn er auf den Wasserfall zutreibt.

Röjdan VärmlandMTH tut, was sie kann, wir kämpfen um jeden Millimeter. Unsere Kräfte scheinen nicht auszureichen, doch mit einer letzten Kraftanstrengung gelingt es uns, diese starke Strömung zu bewältigen. Puh, na, wenn das so weitergeht .... .
Tut es nicht, ab jetzt ist geruhsames Paddeln angesagt. Wir paddeln zwar immer noch, aber verglichen mit der Anstrengung von vorhin, ist das jetzt ein Honiglecken. Komisch, wie tun da Leute, die zwei Kinder im Kanu sitzen haben? Als wir an der Wehr weiter oben unser Kanu entleeren und die fünfzig Meter tragen, kommen uns an einem Weidezaun die Leiter der Jugendgruppe nach.

Wir fragen beiläufig wie es ihnen denn an dieser Kurve ergangen ist? Ja, einige haben zwei, dreimal versuchen müssen, ehe sie diese Stelle forcieren konnten, meinten sie, aber das hat ihnen sicher gut getan, quasi die Schneid abgekauft, seither sind sie wie Lämmer. Also ein pädagogisch-relevanter Abschnitt. Toll, diese Leute von Vildmark Värmland, die denken auch an alles :-)

Bis zur Wehr war die Landschaft eigentlich eher ländlich zu nennen, weite Wiesen, immer wieder Bauernhöfe, die nun wirklich wohlhabend aussehen, wie sie daliegen, breit und behäbig, wie eben Bauernhöfe aussehen sollen. Auch die Kühe, die bis zum Bauch im saftigen Gras stehen, machen einen zufriedenen Eindruck.

An der Wehr rauscht das Wasser. Hier ist ein Biwakplatz hergerichtet und wir tragen unser ganzes Klimbim eine steile Böschung rauf, über eine kleine Schotterstrasse drüber und dann vielleicht zwanzig Meter auf der Wiese zu besagtem Weidezaun. Ein markantes Ticken verrät, dass der Zaun elektrisch geladen ist. Hm. Links von uns ist die Wehr, da will ich absolut kein Kanu wassern. Weiter vorn wäre es ja wunderschön zum einsteigen, aber da ist dieser verflixte Zaun. Naja, es hilft nichts, wir müssen durch.

Die beiden Gruppenleiter helfen uns mit dem Kanu, toll, wie hilfsbereit diese Burschen sind! Einer nimmt ein Stück Holz und hält damit die elektrische Leitung hoch, während wir anderen das Kanu unterhalb durchschubsen. Das Gepäck nimmt den gleichen Weg. Zum Glück sind keine Stiere auf der Weide.

Jetzt wird der Fluss richtig weit und gemütlich. Birken säumen das Ufer und der Wald rückt immer näher an den Strand. Biber haben ihre Spuren hinterlassen, das heisst, man sieht an den Baumstümpfen, wo die scharfen Zähne der fleissigen Burschen am Werk waren. Viele Vögel, Enten, Gänse, Kormorane, und die Ufer sind leicht schilfig. Immer wieder entlocken uns Lage und Aussehen der Sommerhäuser, die da stehen, Ausrufe der Bewunderung.

Am Horizont zeichnen sich die bewaldeten Hügel ab, wie Värmland überhaupt eine reine Waldgegend ist, fruchtbar, doch ohne Fjälls, zumindest hier in der Gegend des Frykentals, das wir alle aus den Büchern der Selma Lagerlöf (Gösta Berlings Saga) kennen.

IN DER "HUNGERBUCHT"

Nach drei Stunden kommen wir auf den ersten See, den Kilen. Drüben am rechten Ufer verläuft die Strasse, wie überhaupt auf der ganzen Paddelstrecke bis zum letzten See die Strasse immer in Hörweite ist. Das stört zwar die Idylle, ist aber für ausgeprägte Städter vielleicht gar nicht so schlecht, weil dann verlieren sie nie den Kontakt zur Zivilisation ganz. Ich könnte mir sonst vorstellen, wenn ich als Vater hier mit halbwüchsigen Kindern unterwegs bin und die ganze Verantwortung tragen muss, bin ich recht froh, wenn ich weiss, dass ich jederzeit Hilfe holen kann.

Röjdan VärmlandWir paddeln in einen Seitenarm des Sees und entdecken auf einer Landzunge rechterhand einen Superlagerplatz. Doch noch scheint es zu früh und wir paddeln weiter. Fehlanzeige. Wir sind in einer Bucht, wo ausser Vogelfamilien nichts zu holen ist. Das Ufer ist sumpfig und zum anlegen ungeeignet. MTH möchte weiterpaddeln, ich wäre nach einer unruhigen und vor allem kurzen Nacht froh, wenn wir an Land gehen könnten. Kanupaddeln ist ganz schön anstregend, vor allem am ersten Tag!

Wir umrunden die Landzunge und ich verliebe mich sofort in den Ort. Ein kleines Wäldchen aus Fichten steht da, am Ufer einige Birken, dahinter sumpfiges Gelände, irgendjemand war so nett und hat einen groben Holztisch und Bänke aufgestellt, eine Feuerstelle ist da und auch eine kleine Mole, die aber noch auf dem Trockenen liegt.

Doch jetzt heisst es, pädagogisch zu sein. Den Enthusiasmus nicht abwürgen durch väterliche Machtworte. Daher paddeln wir weiter, und umrunden die Landzunge. Jetzt müsste laut Wegbeschreibung irgendwo eine Steinbrücke sein, unter der wir durchmüssen. Hm, weit und breit keine Steinbrücke. "Okay, wir paddeln bis da nach vorn und wenn wir keinen Weg gefunden haben, kehren wir zur Landzunge und dem schönen Plätzchen zurück," versuche ich einen Vorschlag in Güte zu landen.

MTH ist einverstanden. Schweigend paddeln wir am Ufer entlang, ausser einigen verärgerten Vogelmüttern, die ihren Unmut über unser Eindringen in ihre Domäne lauthals kund tun, rufen wir keine Reaktion hervor. Zumindest tut sich keine Steinbrücke vor uns auf.

"Ich glaube, du hast recht, drehen wir um," meint MTH. Nichts lieber als das. Ich bin ziemlich am Ende und sehe bereits das Lagerfeuer vor meinem geistigen Auge aufflackern. Das ist ja der halbe Genuss der schwedischen Wildnis, am Abend das Feuerlheizen.

Wir legen an und ich bin wirklich froh über meine Stiefel, denn so kann ich ins seichte Wasser steigen und MTH einen Chance geben, trockenen Fusses an Land zu kommen. Kaum haben wir alles ausgeladen und das Kanu an Land gezogen, umgedreht und festgezurrt, ist meine Müdigkeit, nein, nicht wie weggeblasen, aber immerhin so weit in den Hintergrund gedrängt, dass alles weitere ganz leicht von der Hand geht.

Zelt aufschlagen, Liegeunterlagen und Schlafsäcke ausbreiten, Kocher herausholen, anwerfen und bald schon köchelt ein Süpplein vor sich hin. Seit meinem Ausflug im Padjelanta klug geworden, haben wir doppelt so viel Brot mit, wie ich eigentlich gedacht hatte (und wir essen jedes Brösel davon auf), Suppen zuhauf, daher leisten wir uns ein richtiges Festessen.

Erst als ich mir zum Nachtisch ein Tellerchen Müsli zur Belohnung gönnen will, muss ich entdecken, dass ich zu Hause wohl daran gedacht hatte, aber dann irgendwie vom Zeitpunkt des Gedankens bis zum Schrank ein anderer Gedanke Überhand genommen hat - kein Müsli weit und breit. Schade, dabei hatte ich das fix eingeplant in unseren Speiseplan. Nun, gute Miene beibehalten, nichts anmerken lassen, es wird schon gehen.

Das Essen hat uns wieder einige Kräfte gegeben und nach dem Abschwemmen des Töpfchens im See und einem guten Kaffee mache ich mich daran, Holz zu sammeln für's Lagerfeuer. Es liegen genug Äste herum und bald schon flackert es lustig. Eine wohlige Wärme macht sich breit. Aussen und innen. Wir sitzen da, schauen ins Feuer und verstummen, wir sind's zufrieden. Ich schaue noch einmal kurz auf die Karte und lese den Namen der Bucht, wo wir vor Anker gegangen sind. Svältviken steht da: Hungerbucht :-)

SCHLAFSACK + BIWACKSACK = WARM!

Als das Feuer runtergebrannt ist, kriechen wir in den Schlafsack. MTH liest noch ein paar Seiten, ich bin so müde, dass ich eingeschlafen bin, noch ehe mein Kopf auf dem Kopfkissen liegt.

Mitten in der Nacht weckt mich ein Rumoren. MTH kriecht herum im Zelt und holt sich, was sie finden kann zum Drüberziehen. Ich habe eine bessere Idee. Etwas, das mir immer geholfen hat, wenn ich früher im Auto geschlafen habe und der Schlafsack nicht ausgereicht hat um die Minusgrade abzuhalten. Den Biwaksack herausgeholt und über den Schlafsack gezogen.

Ich weiss, darüber gibt es geteilte Meinungen. Viele raten davon ab, den Biwaksack über den Schlafsack zu ziehen, weil das Kondenswasser nicht verdunsten kann und den Schlafsack anfeuchtet. Doch ich finde, dass die Vorteile, also die Wärme, die Nachteile der Feuchtigkeit überwiegen. Denn ich friere jetzt und der Schlafsack ist erst morgen feucht. Also lieber eine Nacht lang warm schlafen, wer weiss, vielleicht scheint morgen die Sonne und dann trocknet das im Nu.

Genau so ist es auch. Als wir in der Früh erquickt aus dem Zelt kriechen, scheint die Sonne, eine leichte Brise weht und der Schlafsack und der Biwacksack, wiewohl jetzt noch feucht, sind bei der Abfahrt bereits wieder trocken.

Es ist erstaunlich, wie lange es dauert, bis so ein Lager wieder abgerissen ist. Wir sind die ganzen drei Tage nie schneller als zwei Stunden.

Gestern am Abend war noch die Jugendgruppe an uns vorbei gepaddelt und merkwürdigerweise hatten die anscheinend doch einen Durchgang gefunden, denn sie waren genau dorthin veschwunden, wo wir umgedreht hatten.

Als wir an diese Stelle kommen, verengt sich der See und um eine Kurve herum befinden wir uns wieder auf dem Fluss. Wir waren wohl schon sehr müde gestern, dass uns diese Stelle entgangen ist. Da vorne kommt auch zuerst eine Betonbrücke der Strasse und gleich dahinter die alte Steinbrücke. Alles paletti.

Langsam rücken wir in die Wildnis vor - der Wald kommt jetzt auch an den Fluss und es ist genau so, wie man sich eine Paddeltour vorstellt. Gårehån und Torphån, so heissen die Flussabschnitte auf der Karte, linkerhand finden wir einmal einen schönen Rastplatz, Östergata, der von der Familie Jönsson hier eingerichtet wurde. Einfach so, wie wir dem kleinen Buch entnehmen können, das an der überdachten Bank hängt. Es gibt auch ein Plumpsklo da und eine Biwakhütte. Wirklich nett.

Am Übergang vom Torphån zum Röjdan schaukelt eine kleine Insel mitten im Fluss, doch es ist extrem schlecht zum anlegen und daher gehen wir am linken Ufer an Land und kochen uns das erste richtige Gericht. Irgend eine pikante Nudelspeise mit Kräutersauce. Da es inzwischen halb drei am Nachmittag geworden ist, sind wir ganz schön hungrig und langen ordentlich zu. Die Kräfte können wir auch gut gebrauchen, denn jetzt stossen wir auf den See Flaten, der sowohl beim Rauffahren als auch beim Zurückkommen starken Gegenwind für uns bereithält.

Immerhin entdecken wir eine kleine Landzunge mit einem netten Anlegeplatz, den wir uns vormerken. Doch für heute wollen wir weiter, denn wir haben ausgerechnet, dass wir bis zu unserem Endpunkt, also der Insel Storön im Kläggensee, kommen müssen, damit wir dann ein geruhsames Retourpaddeln haben ohne Stress.

Inzwischen hat sich die Sonne verflüchtigt, Wolken ziehen auf und es bläst recht tüchtig. Natürlich Gegenwind. Nur einmal haben wir noch eine Stelle, wo uns die Strömung zu schaffen macht, nämlich dort, wo sich der Fluss ein wenig verengt und Felsen links und rechts gefährlich nahe heranrücken. Doch diese Stelle ist nur etwa zehn Meter lang und gewitzigt durch unsere Erfahrungen vom Vortag paddeln wir kurzfristig was das Zeug hält und kommen problemlos durch.

STURM ZUR SEE

Um achtzehn Uhr sind wir bei der zweiten Tragestelle, einem kleinen Damm in den See Kläggen. Jetzt sind wir über die Plane froh und verspannen sie über unserem Gepäck. Das sieht richtig profimässig aus und alles ist wasserdicht verpackt. Das Regenzeug kommt gut zustatten, denn kaum haben wir alles verzurrt und sitzen wieder im Boot fängt es an wie aus Kübeln zu schütten.

Die Tropfen schlagen wie Trommelfeuer auf die Plane und tanzen wie irre Derwische auf dem Wasser. Es ist grau in grau, nur der Wind jagt die schwarzen, tiefliegenden Wolken wie aufgescheuchte Hühner vor sich her. Auf dem See bilden sich kleine Schaumkronen, doch wir können das Schifflein genau gegen die Wellen halten und nehmen Kurs auf die Insel, die sich wie ein verzaubertes Schloss dunkel vor uns abzeichnet. Wir finden einen tollen Rhythmus und das Kanu fliegt gleich so über das aufgewühlte Wasser.

Die Insel wird immer grösser vor uns und schon nach extrem kurzer Zeit, es sind nicht mehr als gerade fünfzehn Minuten vergangen seit der Tragestelle, sind wir im Windschatten der Insel. Sie ist vielleicht hundert mal hundert Meter gross, von Fichten bewachsen und an jeder Himmelsrichtung ist eine Biwakhütte aus kräftigen Holzstämmen errichtet. Davor sind Feuerstellen zurechtgemacht mit Bänken rundherum und ein Tischchen anbei, es ist echt toll.

Mein Respekt vor Vildmark Värmland wächst. Es ist wirklich alles da, was man sich vorstellen kann. Und doch auch wieder nicht so viel, dass man an Kommerz erinnert wird. Zum Glück steht da keine Würstchenbude oder etwas ähnliches.

Wir umrunden die Insel und haben Glück, denn drei der vier Biwakhütten sind von Jugendlichen in Besitz genommen, aber eine mit einem wunderschönen moosigen Zeltplatz davor ist frei. Hier legen wir an, und es hört wie bestellt zu regnen auf. Eine tolle Wolkenstimmung kündigt sich an und als wir das Zelt aufgeschlagen und die nassen Sachen in der Hütte aufgehängt haben, scheint bereits wieder die Sonne.

Anscheinend heisst es nicht umsonst: die Sonne scheint in Torsby immer. Gilt auch für die weitere Umgebung :-)

VärmlandDoch so schnell geben sich die Wolken nicht geschlagen, ein Gewitter hebt an, das Krachen des Donners hallt wie Böllerschläge. Wir sitzen gemütlich in der Hütte und essen Käsebrote, da ich auch den Speck vergessen habe. Als ich zum Kanu schaue, erblicke ich am Südende des Sees einen wunderschönen Regenbogen, so breit, wie ich ihn noch nie vorher gesehen habe. Toll!

Die Umgebung ist typisches Värmland: Wald, Hügel, Wald, Wald, Wald. Fichtenwald, am Ufer hohe Birken, einige Sommerhäuser zwischendrinnen verstreut am Seeufer. Diese Nacht wird uns ruhig schlafen lassen, denn es ist weit und breit keine Strasse zu sehen. Also: Ruhe.

Ich mache mich wieder ans Ritual des Feuermachens, es sind zwar schöne Holzstücke vorbereitet, von der Motorsäge in handliche Stücke zurechtgeschnitten, doch fehlt uns die Axt, um diese zu zerkleinern, daher suche ich wieder ein paar Äste zusammen und entfache ein schönes, gemütliches Feuerchen.

Ich will einen längeren Ast zerkleinern und lege ihn daher an eine Bank, trete mit voller Wucht in die Mitte da geschieht das Unglück: "Tsing" noch ehe ich mich versehe, kriege ich eine Ohrfeige,die sich gewaschen hat. Der Ast ist hochgeschnalzt und ein Ästchen des Asts kratzt mir die Wange auf. "It biteth like a serpent and stingeth like an adder", wie Bertie Wooster in P.G. Wodehouse' phänomenaler "Jeeves-Serie" sagt.

Puh, das hätte im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen können. Und das auf einer Insel. Rettungshubschrauber, alles Klimbim, MTH allein, lieber nicht daran denken. Aber so schnell passiert's!

VärmlandWir sind wieder früh dran und gerade als wir zu Bett gehen wollen, kommen einige Jugendliche mit ihren Kanus. Sie angeln, plötzlich höre ich aufgeregte Stimmen: "Backa, backa, zurück, zurück, du kommst genau in meine Schnur", ein Fisch zappelt an der Angel, ein kapitaler Hecht von sicher vierzig Zentimeter Länge.

Das war alles, was wir von der Jugendgruppe merken. Am nächsten Morgen weckt uns der Sturm, der an der Zeltplane rüttelt. Um sieben Uhr stehen wir auf. Es ist strahlend blau, die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel. Nur der steife Nordwind will mir nicht so recht gefallen. Schaumkronen kräuseln sich auf dem See. Immerhin, wir werden Rückenwind haben.

Der tägliche Ablauf ist bereits zur Gewohnheit geworden, alles geht leicht von der Hand, als hätten wir nie etwas anderes gemacht und auch das Paddeln wird immer einfacher. Bei der Rückfahrt nimmt MTH den Platz des Steuermanns ein und ich sitze vorne als Galeerensklave und darf paddeln, paddeln, paddeln. Hinten macht es eindeutig mehr Spass, auch sitzt man bequemer. Aber vorne sieht man mehr.

UNVERHOFFTE GÄSTE

Heute gehen wir im See Flaten an dem Plätzchen an Land, das wir gestern gesehen hatten. Gerade als wir alles ausgepackt haben und den Kocher anwerfen wollen, werden auf einmal die Augen von MTH starr. Ehe ich mich umdrehen kann, schubst mich eine starke Kraft, dass ich nach vorne kippe. Zwei Pferde stehen plötzlich da und untersuchen mit ihren weichen Mäulern unsere guten Sachen.

Also das geht denn doch nicht. Nach der ersten Schrecksekunde springe ich auf und versuche das eine vorwitzige Pferdchen, das meinen Pullover anzuknabbern beginnt, abzudrängen. Hm, diese Dinger sind ganz schön schwer. Zum Glück hat das zweite Pferd ein Halfter um und mit laustarken Drohungen, was wohl alles passieren wird, wenn sie nicht gleich mitgehen, gelingt es uns, die beiden zum Rückzug zu bewegen. Ausserdem ist unsere Suppe wirklich nichts für euch, schmeckt gar nicht....

Dann ist Ruhe im Saal und wir können weitermachen, nicht ohne immer wieder einen scheuen Blick über die Schulter zu werfen, ob nicht wieder die blonde Mähne hinter dem Gebüsch auftaucht.
Ich freue mich auf das Plätzchen von gestern am See Kilen und ich finde es auch auf der Karte, es liegt an der Bucht Svältvik.

VärmlandHeute sind wir früh dran, es ist gerade drei Uhr und ich kann mich daher nach dem Einrichten des Lagerplatzes davonstehlen und lege mich mit meiner Isomatte ins weiche Moos und freue mich über die warmen Strahlen der Sonne. Es ist merkwürdig, dass es immer drei Tage dauert, ehe man den Rhythmus der Natur gefunden hat.

Auch die Handhabung des kleinen Spatens geht jetzt bereits völlig problemlos vor sich: Spaten in der einen Hand, Clopapierrolle in der anderen, eine Stelle zwischen zwei Bäumen gesucht, zum Anhalten, je nach Lust und Laune vielleicht einen Ast quer drübergelegt zum Sitzen, dann die Breite des Spatens benützend ein quadratisches Loch ausgehoben, das Moos wie einen Deckel abheben und auf die Seite legen, noch ein wenig Erde ausheben und schon ist das stille Örtchen fertig. Jetzt zwischen die beiden Bäume gehockt, angehalten, genau gezielt und ein Hochgefühl, wie wenn du ein Tor geschossen hat, stellt sich ein, wenn du ins Loch triffst. Fein säuberlich verscharrt, den Moosdeckel übergestülpt und fertig ist der Zauber. Es ist so einfach Ordnung zu halten, es ist erstaunlich!

Der nächste Morgen sieht uns guter Dinge, der Kaffee schmeckt, denn die Milch hat sich jetzt schon den vierten Tag gehalten, was zeigt, wie frisch es eigentlich ist, keine Wolke ist am Himmel, tja, es könnte besser nicht sein. Jetzt trödeln wir schon absichtlich, weil wir uns gar nicht losreissen können und wollen.

Diesmal ist der Fluss am Kraftwerk gestaut und wir gleiten ganz gemütlich hinein nach Torsby. Eines ist sicher, das nächste Mal bleiben wir eine Woche draussen! Hoffentlich hält dieses Gefühl der Freiheit und der Einheit mit der Natur noch eine Weile an.

Nach vier Tagen ist der Stress, die Hast, die Hetze des Alltags abgefallen und man gestattet sich selbst, Mensch, natürlicher Mensch im Sinne Rousseaus zu sein. Die Wirklichkeit, für die wir geschaffen wurden, nimmt Konturen an und alles wird eins. Die Bäume um uns, das Wasser, der See, all das ist nicht etwas Fremdes, das erobert werden muss, sondern ein natürlicher Teil von uns selber. Wir reihen uns in den kosmischen Reigen ein.

Outfitter:
Vildmark Värmland
Box 209
S-685 25 Torsby.
(Bei der Tourismusinfo an der Ortseinfahrt)
Tel: 0046 560 140 40
Fax: 0046 560 130 68
Email: info@vildmark.se
http://www.vildmark.se (auch deutsch)

Sehr gute, professionelle Organisation, ISO 9002 geprüft.

Sprechen deutsch

Anfahrt: Göteborg - Strasse 45 - Sunne - Torsby
Malmö - Jönköping - Mariestad - Kristinehamn (Richtung Filipstad) - Karlstad - Sunne - Torsby

Ausrüstungsliste:
Zelt, Liegematte, Schlafsack (Biwacksack), Fotoapparat + Filme, Campingkocher + Brennspiritus + Zünder (im Plastiksäckchen), Trinkbecher, Besteck. Regenkleidung, Gummistiefel, normale Schuhe oder Turnschuhe für den Abend. Dicke Socken, lange Unterhose oder Trainingshose zum Schlafen, Mütze zum Schlafen, Unterhemd, Unterhose, Flanellhemd, Überjacke, Gelsenmittel, Sonnenschutz, Sonnenbrille, Schirmkappe. Zahncreme, Zahnbürste, Seife. Wasserkanister, Verbandszeug. Taschentücher, Clopapier. Kompass.

Essen:
Milch, Nescafé, Tee, Brot (2 kg) Roggenbrot, 6 Suppen, 2 Nudelgerichte, Fischdosen, Käse, Schinken (Speck), Müsli. Vielleicht Würstchen (Senf nicht vergessen) oder Kotelett für den ersten Abend zum Grillen. Kühltasche. Butter. Streichmesser, Brotmesser. Angelzeug, Angelkarte.


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Last Updated: Donnerstag, 4. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl

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