Småland
Zu Gast beim Blumenkönig
Carl
von Linné wurde am 23. Mai 1707 in Råshult, einem kleinen
Dorf im südschwedischen Småland, als Sohn eines Landpfarrers
geboren. Linné haben wir die Einteilung der Pflanzen zu
verdanken, sowie die Entdeckung, dass auch Blumen so etwas
wie ein "Liebesleben" haben.
Von
Eduard Nöstl
Das
Interesse des kleinen Carl an der Natur und speziell an
Blumen und Pflanzen wurde früh vom Vater geweckt und von
der Umgebung, in der er seine Kindheit verbracht hat, gefördert.
Vater Linné war selber ein grosser Blumenfreund und noch
heute ist der kleine Kräutergarten der Familie Linné in
Råshult, in der Nähe der Stadt Älmhult am See Möckeln, zu
besichtigen.
Carl Linnéus wurde zunächst von seinem Vater unterrichtet,
ehe er nach Växjö aufs Gymnasium geschickt wurde. Linné
beschreibt die Umgebung der Stadt als "ziemlich kahl, da
sämtliche Weidenruten von den Lehrern zwecks Züchtigung
der Schüler abgeholzt wurden".
Der
Durchbruch Linnés als Wissenschaftler kam im Alter von 22
Jahren, als er seine grundlegende Theorie über "Stempel
und Staubgefässe", die, seiner Meinung nach, "essentiellsten
Teile der Blumen", veröffentlichte.
Dieser
Aufsatz verhalf dem jungen Wissenschaftler zu einer Professur
in Zoologie an der Universität Uppsala, wo ihn der bekannte
Professor Olof Rudbeck unter seine Fittiche nahm. Dieser
verschaffte ihm auch ein Stipendium zu einer Reise nach
Lappland, die am 23. Mai 1732 angetreten wurde.
"Flora
Lapponiensis", also die "Flora Lapplands", war die
Frucht dieser Reise, bei der Linné bis nach Luleå kam und
die Atlantikküste von Norwegen erwanderte. Wie viele seiner
Werke wurde "Flora Lapponiensis" zuerst in Holland veröffentlicht,
wie Linné überhaupt in ganz Europa bereits als grosser Wissenschaftler
gefeiert wurde, während der Erfolg in seinem Heimatland
auf sich warten liess. Erst als er die Stockholmer jeunesse
doree von der damals weit verbreiteten Gonorrhoe zu heilen
wusste, wurde Linné von Königin Ulrika Leonora zum Admiralitätsarzt
mit einer Pension von 100 Dukaten Jahresgehalt gemacht.
Systema
Naturae
1742
wurde Carl von Linné zum Professor für Botanik, metallurgische
Chemie, Semiotik, Dietetik und Materia medica an die Universität
Uppsala berufen.
"Gott
erschuf die Natur und Linné brachte Ordnung darein" lautet
ein allgemeines Urteil über seinen grössten wissenschaftlichen
Erfolg, das „Systema Naturae ". Linné war glücklich verheiratet,
seine Frau gebar ihm sieben Kinder, fünf davon überlebten,
sein Sohn folgte ihm auf seinem Lehrstuhl in Uppsala nach.
Zur
Person wollen wir ihn selber zu Wort kommen lassen: "Linné
war nicht gross und nicht klein, mager, hatte braune Augen
und konnte Leute, die zu spät kamen, nicht ausstehen. Er
hatte einen schnellen Gang, machte alles subito, war sensibel
und schnell gerührt. Er arbeitete fortwährend und kannte
keine Ruhe. Er war ein Freund von Speis' und Trank, wobei
ihm allerdings die alkoholischen Getränke verhasst waren.
Er kümmerte sich nicht um sein Äusseres, sondern war der
Ansicht, dass der Mann die Kleider macht und nicht umgekehrt".
Seit
einer Gehirnblutung halbseitig gelähmt, entschlief
Linné am 10. Januar des Jahres 1778.
NemesisDivina
Wir
wollen an dieser Stelle nicht nur den grossen Biologen und
Blumenfreund Linné beschreiben, sondern einige Sätze
auch der gar nicht so empirisch - naturwissenschaftlichen
Seite seines Verstandes widmen. Eine Seite, die von offizieller
Seite nur zögerlich zur Kenntnis genommen wurde. In
Deutschland hat es sogar bis 1968 gedauert, ehe das metaphysische
Werk Linnés, "Nemesis divina", in deutscher
Sprache unter dem gleichen Titel erschienen ist. Die Herausgabe
haben Wolf Lepenies und Lars Gustafsson besorgt, erschienen
ist die Abhandlung im Ullstein Verlag.
Dabei
handelt es sich um Tagebuchaufzeichnungen, in denen Linné
alle Vorkommnisse und Geschehen, die sich der Verstand nicht
erklären kann, penibel und mit grosser Sorgfalt festhielt.
Linné
selbst war, wie viele Naturwissenschaftler, sehr daran interessiert,
diese seine metaphysische Seite geheim zu halten. So verfügte
er, dass die Aufzeichnungen erst fünfzig Jahre nach
seinem Tode veröffentlicht werden durften.
"Nemesis
Divina", also die "Rache Gottes", handelt
davon, wie das Schicksal Menschen, die gefehlt haben, unerbittlich
verfolgt und auf das strengste bestraft. Linné erweist
sich hier als Anhänger einer geradezu alttestamentarischen
Sicht der Gerechtigkeit.
Wir
wollen einige Beispiele anführen, die diese Nemesis
verdeutlichen. In jener Zeit war die drakonische Strafe
des "aufs Rad flechten" auch in Schweden üblich.
Linné
erzählt die Geschichte eines armen Sünders, der
in Västergötland so zu Tode gekommen war: Das
Volk erzählte von ihm, dass er ein Bauernknecht gewesen
war und ebenda eingetreten war in des Hausherrn einziges
Recht, dass der Hausherr danach verschmachtete und starb,
dann der Knecht die Witwe heiratete, aber eine Übereilung
ihn zum Vater bei seiner Stieftochter Kind gemacht hatte.
Unglücklich, der sich nicht daran erinnert, dass Gott
langmütig ist und ein gerechter Richter".
Es
soll noch ärger kommen: "Der Bauernknecht schwängert
zwei auf einmal. Die eine Magd wird eine publique, ehrlose
Hure. Die andere mordet heimlich ihr Kind. Der Bauernknecht
nimmt die zweite zur Frau. Sie bekommt, als sie einmal braut,
Schwindel, fällt in den Braukessel und wird zu Tode
gekocht. Die erste Magd verheiratet sich und es ergehet
ihr wohl."
Auch
der Adel bleibt vor solchem Schicksal nicht verschont. Linné:
"Der dänische Admiral Tornskiöld, derselbe,
der Marstrand von uns nahm. Er erschoss einen Jungen mit
einer Pistol hoch oben am Mast, da es ihm schien, dass er
sich nicht genug beeilte. Von einem Schweden wurde er bei
einem Duell in Hamburg erschossen."
Was
Linné hier nicht erwähnt, ist, dass besagter
Schwede, Graf Johan Stael von Holstein, den 28-jährigen
Tordenskiöld im Duell erschoss, als ihn dieser wegen
einer Veruntreuung zur Rede stellte. So schreibt jedes Land
seine eigene Geschichte und wohl bei jedem Menschen gibt
es, wenn man nur lange genug sucht, eine Nemesis zu finden.