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Kanutour in Schonen:

Raslången - Halen - Gillesjön - Filkesjön - Immeln

Diese Kanutour ist eine der südlichsten, leichtesten und trotzdem besten Genusstouren die es hier in Schweden gibt. Fünf Seen, nicht zu groß, außer vielleicht dem Immeln, der mit seinen 30 km2 der größte See in Schonen ist, werden miteinander kombiniert, die Tour führt durch eine schöne Landschaft aus Mischwald, wo dennoch an gewissen Stellen die Kiefern dominieren, ein nicht zu unterschätzender Vorteil wegen der Mücken im Sommer, und trotz der hervorragenden Lage sind nur wenig Leute unterwegs. Was will man mehr?

von Eduard Nöstl

Ich hatte schon viel von dieser Tour gehört und endlich würde es so weit sein: Der Wetterbericht verlautbarte gutes Wetter, das Kanu war schon auf dem Dach vom Auto festgezurrt, die Provianttasche stand gut gefüllt bereit, nur noch ein paar Kleinigkeiten mussten erledigt werden, da treffe ich auf der Strasse meinen guten Freund Ernst. In der Unterhaltung erwähne ich so nebenbei, dass ich am Weg zum Immeln bin. "Was zum Immeln? Uuuuuh, schlag dir das aus dem Kopf, der See ist riesig und wenn es da bläst, hast du nur Probleme. Viel besser ist es, die Tour beim Raslången zu beginnen. Alltidhult heißt der Ort, dort musst du wassern, das ist Genuss pur." Ernst muss es wissen, er hat schließlich fünf Jahre da oben gewohnt. Als wir uns verabschieden, ermahnt er mich noch einmal: "Also, denk dran, Alltidhult".

Ok. Ich setze mich ins Auto und fahre die hundert Kilometer von Lund nach Olofström. Olofström ist einer der beiden Hauptorte an dieser Route. Hier gibt es auch einen Kanuverleih am Campingplatz, den will ich mir anschauen. Olofström ist gar nicht so klein, bei der Shell Tankstelle frage ich nach dem Campingplatz. Am Volvowerk vorbei und dann links, kannst du gar nicht verfehlen. Na ja, nach einigen kleineren Problemen stehe ich am See und in der Rezeption des Campingplatzes kaufe ich gleich die Kanukarte für meine Tour. Die Kanus zum mieten sind Linden Aluboote. Direkt am See kann man die Kanus von Stegen aus wassern.

Trotzdem will ich nach Alltidhult, um einen möglichst optimalen Start für meine Tour zu haben. Von Olofström sind das gerade einmal zehn Minuten und schon bin ich an der Brücke, die über den Bach führt, der den Halensee und den Raslången miteinander verbindet. Ich inspiziere kurz die Landestelle im Halensee, laut Plan gibt es hier ein Trockenklo, stimmt, ist auch gut gelüftet und Papier ist ebenfalls ausreichend vorhanden. Am See sind zwei Baumstämme ins Wasser gelegt worden, sodass man hier da Kanu leicht aus dem Wasser herausziehen und /oder hinein schieben kann. Schön, wenn Leute mitdenken.

Ich fahre die fünfhundert Meter den Bach entlang zum Parkplatz an der alten Schule. Hier gibt es Frischwasser aus einem Schlauch direkt neben der Treppe und daneben in einem Schuppen eine Waschgelegenheit. Die wird mir noch gute Dienste leisten.

Doch zuerst wird einmal das Auto entleert und alle Utensilien aufgestellt, damit bloß nichts vergessen wird. Ein ganz schöner Haufen türmt sich da auf. Aber das ist ja das Schöne bei Kanutouren, man braucht das alles nicht selber zu schleppen, wie bei den Wanderungen. Aber ob ich wirklich drei Bücher mitnehmen soll? Egal, ich halte es mit meinem großen Idol Somerset Maugham, der auf seinen ausgedehnten Reisen in den Fernen Osten einen ganzen Sack voller Bücher mitgeschleppt hat und der gemeint hat, bevor er gar nichts liest, schaut er sich ein Telefonbuch durch und kann manch gute Kurzweil daraus holen.

Mein Kanuwägelchen bewährt sich: Es sind immerhin noch einmal gute hundertfünfzig Meter runter zum Ufer des Raslången, aber der Weg ist breit und eigentlich sollte es klappen. Gleich von der Strasse weg blühen meine Lieblingsblumen, Lupinen, links und rechts des Wegs. Echt ein guter Anfang dieser Tour.

Jetzt ist nur noch ein Zaun zu überwinden - zum Glück führt eine Art Holzbrücke da drüber, sodass ich das Kanu mit allem Gepäck zuerst ziehen und dann schieben kann, und schon stehe ich am Ufer des Raslången. Das Wasser ist blitzblank und liegt wie ein Spiegel. Wieder einmal hat sich die alte Kanuweisheit bestätigt: Am Abend und in der Früh ist das Wasser am ruhigsten.

Der Raslångensee

Der Wasserspiegel scheint extrem niedrig zu sein, denn der Steg rechterhand steht praktisch völlig am Trockenen. Daher schiebe ich das Kanu einfach ins Wasser, ich habe meine Stiefel an und kann daher das Kanu in Ruhe beladen. Ach ja, ich habe ein Trapper Kanu 450, also die Miniausführung, aber das passt mir ganz gut, denn da ich die meiste Zeit allein unterwegs bin, brauche ich kein größeres. Auch so ist genug Platz für Zelt, Rucksack, wasserdichten Seesack für Schlafsack, Trainingsanzug, Mütze und was sonst noch nicht nass werden darf sollte ein Regenguss kommen oder eine unfreiwillige Landung im See, Wasserkanister, Reservepaddel, Kanuwägelchen und Essenstasche. Jetzt noch alles festgezurrt, damit nichts verloren geht, sollte ich umschmeißen, und schon kann’s losgehen.

Ich habe mir schon vorher in Ruhe die Karte angeschaut und paddle daher erst einmal weg vom Ausfluss des Sees, was aber überhaupt kein Problem ist, da der Bach fast gar keine Strömung verursacht. Ich halte mich am Ufer und versuche den Rhythmus des Paddels zu finden. Natürlich hat es seine Vorteile, wenn man zu zweit unterwegs ist: die Kameradschaft, man hat immer jemanden zum Scherzen und zum Unterhalten, überhaupt geteiltes Leid ist immer noch halbes Leid, andererseits, wenn man so allein unterwegs ist, dann kann man sich auf die Umgebung konzentrieren, die Natur, das Erleben an sich, man kann einem Reiher nachschauen, oder einem Bussard, man sieht alle Naturereignisse viel intensiver und fühlt sich eins mit der Umgebung. Wie immer gilt es die goldene Mitte zu finden. Wenn man so allein unterwegs ist, besteht die größte Gefahr, zumindest für mich, darin, dass ich mich total auspowere und dann schlecht drauf bin, wenn ich meinen dadurch aufgebauten Frust nicht loswerden kann.

Aber hier und heute ist einfach alles paletti und schon nach den ersten fünfzig Metern habe ich mich zurechtgefunden, ich sitze bequem, es ist sieben Uhr am Abend und die Sonne steht immer noch hoch am Himmel, jetzt, zwei Wochen vor Mittsommer ist überhaupt die schönste Zeit, wenn man noch auf die Sommersonnenwende zugeht und sich erwartungsvoll dem Sommer hingeben kann ohne schon von den dunklen Gedanken der Urangst vor dem feuchten Herbst und dem folgenden finsteren Winter deprimiert zu werden.

Die Gegend hier ist Grenzgebiet zwischen Schonen und Blekinge. Olofström ist Blekinge und Immeln Schonen, daher wechseln sich Bauernland, also Kulturlandschaft und Laubwald ab, aber immer wieder mit Einschlägen von Kiefern, besonders am Ufer, was mir ausgezeichnet passt, denn ich sehe zwar Eichen und Buchen gern, aber für mein Zelt ist mir ein Kiefernwäldchen doch am liebsten. Ich mag Kiefern, denn sie sind nicht nur schön anzuschauen, wenn sie sich mit ihrem hellen Stamm und den dunkelgrünen Kronen gegen den blauen Himmel abzeichnen, sie sind für mich die idealen Kletterbäume und überhaupt mit ihren langen Nadeln sorgen sie dafür, dass der Boden schön weich wird, wenn man einmal seine Liegematte vergessen hat.

Rechterhand und am gegenüberliegenden Ufer grüssen zwei prächtige Bauernhöfe. Die Grundmauern der Bauernhöfe hier sind aus riesigen Steinen errichtet, was ihnen ein imposantes Gepräge verleiht, behäbig und stark sehen sie aus, wie auch die Bauern hier in den nördlichen Gegenden überhaupt widerstandsfähig sein mussten, weitab von der nächsten Ortschaft und völlig auf sich allein gestellt. Schon typisch schwedisch ist die rote Farbe der Scheunen und Stallungen.

Am anderen Ufer stehen ein paar Ackergäule bis zum Bauch im Wasser und suchen so Abkühlung und wohl auch Schutz vor den Bremsen. Es ist warm, so um die zwanzig Grad und mir scheint alles ideal zu stimmen.

Immer weiter treibt mein Paddel das Kanu in den kleinen Fjord hinauf, den der Ausläufer des Sees hier bildet. Auf der Karte steht Blankaviken, und dieser Name macht der Bucht alle Ehre, spiegelblank und abseits von allem Getöse ist der See eine wahre Oase des ruhigen, ungestörten Glücks. Weiter vorn sehe ich bereits eine Halbinsel, die sich in die Bucht hinein schiebt. Mit Kiefern bewachsen und gesäumt von grauen Felsen scheint sie mir für die erste Nacht Quartier anzubieten.

Als ich näherkomme, sehe ich allerdings bereits ein Handtuch in der Abendbrise flattern und mir schwant nichts Gutes, und wirklich, auf einem Felsvorsprung haben es sich zwei Männer auf ihren Klappstühlen in der Abendsonne bequem gemacht und zwischen zwei Büschen sehe ich ihr Kanu. Weiter hinten auf der Anhöhe zwischen zwei Kiefern leuchtet das grüne Zelt hervor.

ich winke ihnen zu und sie heben schlapp die Hand zum Gruß. Ich paddle weiter und schon in ungefähr fünfzig Meter Entfernung entdecke ich eine kleine Insel, die vom Ufer nur durch ein paar verstreute Felsen getrennt ist. Bewachsen mit Kiefern, erhebt sie sich einladend und badet in der Abendsonne, die den grauen Fels hell erglänzen lässt. Eines habe ich ja aus meinen früheren Wanderungen und Kanutouren mitgebracht: Ich werde mich nur selten ärgern, wenn ich einen schönen Platz bereits besetzt vorfinde, denn es gibt immer wieder neue schöne Stellen zu entdecken. Oft sogar mit etwas Glück noch schönere und passendere.

So auch jetzt, denn ich sehe sofort, dass mich hier eine Perle unter den Übernachtungsplätzen erwartet: Ich umrunde die Insel, das heißt, ich paddle bis zu den Felsen und dann halte ich mich links, denn Richtung Ufer ist zu wenig Wasser, da gibt es kein Durchkommen. Auch von der Rückseite her bestätigt sich mein Eindruck: wie für mich geschaffen. Ich lege an, ziehe das Boot über die Felsen hoch. Hm, die haben ganz schön scharfe Kanten und die sind jetzt gelb von der Farbe meines Kanus. Na ja, so ist es eben. Da darf man sich nichts draus machen.

Ein kleiner Pfad führt von meinem Anlegeplatz auf die Krönung der Insel. Dort oben die nächste positive Überraschung, ein kleiner Kreis aus Steinen kennzeichnet eine Feuerstelle. Kurz davor ein flacher Platz für das Zelt. Ein Zaunkönig hat auf einem Felsen im Wasser Platz genommen und beobachtet interessiert mein geschäftiges Treiben, die Ameisen haben es eilig, ihren Zeitplan einzuhalten.

Binnen fünf Minuten steht das Zelt, Rucksack und Schlafsack sind gleich einmal hineingeworfen und jetzt geht es ans Abendessen. Was gibt es heute Gutes? Eigentlich habe ich ja nun nicht gerade viel geleistet, daher entscheide ich mich für eine Suppe und ein paar Wurstbrote. Wer weiß, was auf der Tour noch auf mich wartet, daher ist es sicher besser, wenn ich mit den guten Sachen warte, bis ich sie verdient habe. Ich suche mir ein Plätzchen am Ufer auf einer der Felsplatten, mein Trangiakocher hat mich noch nie im Stich gelassen und auch heute erfüllt er wieder die Erwartungen, die in ihn gestellt werden perfekt und schon bald sitze ich mit vollem Bauch da und starre ins Wasser, höre den Vögeln zu und sehe den einen oder anderen Fisch springen. Der Raslången und auch der Halen und der Immeln sind enorm fischreich, das kann ich immer wieder auf dieser Tour merken. Für Halen und Immeln ist keine Angelkarte nötig, für die anderen drei Seen braucht man eine. Die kann man gleich bei der Kanumiete dazukaufen.

Von der Nachbarinsel ist kein Laut zu hören, also kann ich mich wirklich als Herr der Natur fühlen. Herr oder nicht, es ist einfach herrlich hier zu sitzen und in vollen Zügen die Freiheit zu genießen. Kein Zwang, jetzt nach dem Essen abzuwaschen, keine Nachrichten im Fernsehen, die einem den Abend vergällen, keine Wettervorhersage, die den geplanten Tagesausflug zunichte macht. Es gibt nur das Hier und Jetzt und sonst gar nichts.

Nach einiger Zeit mache ich mich auf, um ein bisschen Holz fürs Lagerfeuer zu sammeln. Das gehört einfach dazu, zumindest solange ich wie heute noch nicht zu müde dafür bin. Es ist zwar immer noch taghell und die Sonne macht sich erst jetzt langsam daran, hinter dem gegenüberliegenden Ufer zu verschwinden, aber ich will nicht länger warten und entzünde mein kleines Feuerchen. Es ist alles trocken und daher ist es wirklich keine Kunst, die Äste zum Brennen zu bringen. Außerdem ist es eine nette Beschäftigung, trockene Äste zu sammeln und immer wieder nachzulegen.

Ich hole ein kleines Liederbuch hervor und singe ein paar meiner Lieblingslieder. Nicht laut, nur so, eher gesummt als gesungen, aber laut genug, um mir das Gefühl der Einsamkeit zu nehmen. Im Refrain scheint mir, dass Kameraden und Freunde aus der Kindheit, die mit mir diese Lieder jedes Jahr auf den Lagern gesungen haben laut einstimmen und begeistert mitsingen.

Gegen elf Uhr lege ich kein Holz mehr nach sondern sehe nur zu, wie die Holzscheite zu Asche verglimmen. Ein leises Aufflackern, ein letzter Gruß an die Welt, und dann verlischt auch der letzte Ast. Trotz der späten Stunde ist es nur ein wenig dämmrig geworden und ich finde mühelos den Pfad zum Zelt. Der Schlafsack wird ausgerollt, die Liegematte ist nicht mitgekommen, aber ich freue mich schon auf die Ruhe und nach einem letzten Schluck aus der Wasserflasche rolle ich mich im Schlafsack zusammen und schlafe sofort ein.

Am nächsten Tag werde ich schon früh munter, 06.30, und voller Tatendrang springe ich aus dem Schlafsack, um einen Blick vor das Zelt zu tun. Na ja, wenigstens regnet es nicht, eigentlich ist das Wetter gar nicht so schlecht, es ist zwar grau aber mit blauen Fenstern, wenn man nur weit genug schaut. Wird sicher besser werden, zuerst einmal brauche ich einen Kaffee. Ich habe speziell für diese Tour einen tiefen Griff in die Geldbörse getan und mir lauter verschiedene Kaffeesorten einpacken lassen: Heute steht ein Cappuccino Caramel auf der Frühstückskarte, dazu esse ich glatt drei Marmeladebrote. Aha, man merkt, das Paddeln macht hungrig.

Es ist kühl und etwas windig, der Spatengang wird auf später verschoben, hier auf dem kleinen Inselchen scheint mir nicht der rechte Ort dafür zu sein. Außerdem will ich noch in die Bucht ganz hinauf fahren, denn dort gibt es laut Karte einen offiziellen Lagerplatz, und da sollte doch eigentlich ein Plumpsklo sein. Das Lager abbrechen geht schon routiniert vonstatten, die Ameisen müssen halt vom Zelt gekehrt werden, aber das war auch schon das einzige Negative an diesem Lagerplatz. Eine Stunde später sitze ich zufrieden im Kanu und paddle gemütlich die hundert Meter zum nördlichen Ufer. Dort ist zwar ein Lagerplatz und eine Feuerstelle, aber kein Klo. Hm, da ich sowieso die Bucht wieder retour muss, werde ich das in Alltidhult erledigen und gleich auch eine kleine Waschung vornehmen. Außerdem kommt gleich auch überschüssiges Gepäck (Bücher, Schuhe, Fototasche) ins Auto.

Um 09.30 Uhr kommen bereits die ersten Sonnenstrahlen durch. Ich bin schon wieder unterwegs und paddle langsam aber stetig auf mein heutiges Ziel Baggebro, also den Übergang zum nächsten See, den Gillesee, zu. Dabei komme ich am Rastplatz Havudden vorbei, dessen Einfahrt von riesigen Steinblöcken gesäumt und somit gut sichtbar ist. Auch ein kleines Hüttchen, das rot bemalt ist, ist bereits von weitem auszunehmen. Speziell für Gruppen scheint mir dieser Lagerplatz ideal zu sein. Eine große ebene Wiese, Windschutz, alles da. Kurz vorher haben mich die zwei Kanuten von gestern auf der Insel überholt. Ihr Kanu ist voll bepackt und sie sind wirklich gut ausgerüstet mit wasserfesten Tonnen und sie paddeln sogar mit Handschuhen. Wahrscheinlich damit sie keine Blasen auf den Händen kriegen.

Um 11.30 Uhr mache ich die erste Rast für heute an einem der vielen schönen Plätzchen, die sich entlang der Route anbieten. Hier herrscht ziemlicher Gegenwind, weil der See sich zu einem Sund verengt und daher kommt mir die Pause gerade recht. War es am Vormittag noch ziemlich kühl gewesen, brennt jetzt die Sonne richtig herunter und es wird fast schwül. Drei Wildgänse tauchen aus dem Nichts aus und kommen neugierig näher. Ich merke jetzt, wie der Gegenwind an meinen Kräften gezehrt hat und ich mache mir zwei richtig schöne dicke Speckbrote und für den Flüssigkeitshaushalt gibt’s grünen Tee.

Um 13.00 bin ich bei der Brücke - die letzten zwanzig Meter war der See nur mehr höchstens zehn Meter breit und hier an der Brücke lege ich an auf der rechten Seite an, denn nach der Karte sollte es hier eine Umtragestelle geben. Das Kanu wird an der Brücke vertäut und ich mache mich ans Rekognoszieren. Schon nach einigen Schritten werde ich stutzig, mir schwant nichts Gutes: es ist schon ein Pfad da, aber der führt extrem steil den Hang hinauf und nicht nur das, er ist mit spitzen Felsen gespickt. Hier werde ich trotz Kanuwägelchen allein kaum Glück haben und das Kanu raufziehen können. Vielleicht ein Mietkanu, aber das eigene, nein. Ich gehe trotzdem hinunter zum Gillesee, das Ufer ist sehr steil und es gibt eigentlich keinen passenden Platz fürs Wassern. Kopfschüttelnd gehe ich zurück zum Kanu.

Wenn ich jetzt ein bisschen gescheit gewesen wäre und ein wenig mitgedacht hätte, dann hätte ich wohl doch die andere Seite in Augenschein genommen, aber nein, sklavisch wird der Karte geglaubt und ich könnte mir höchstens vorstellen, das Kanu hochzuheben und durch die Öffnung der Brücke bzw. des Dammes, der hier den einen See vom anderen trennt durchzuschieben, doch allein beim Gedanken an die Mühe schwindelt mir. Daher wird das Kanu wieder losgemacht und ich paddle zurück zum Raslången. Mal sehen, ich kann ja diesen See immer noch ein wenig besser erforschen.

Total in Gedanken paddle ich auf der rechten Seite, der Ostseite des Sees zurück Richtung Foglabacken. Ungefähr auf halber Strecke liegt die Insel Kiön. Relativ hoch, sicher zwanzig Meter über dem Wasserspiegel am höchsten Punkt, von Kiefern bewachsen, weckt sie mein Interesse und gleich beim Näherkommen fällt mir ein steiler Felsabfall auf, der ca. zehn Meter direkt ins Wasser abfällt. Kurz vorher gibt es eine gute Stelle zum anlegen. Ich mache das Kanu fest und gehe an Land. Wirklich, meine Nase hat mich nicht betrogen - ein toller Lagerplatz, allerdings nicht mehr offiziell, der Lagerplatz wurde laut Schild aufgelassen, aber ich denke, hier wird man sicher eine Nacht oder so bleiben können. Die alte Feuerstelle ist noch intakt und Fallholz gibt es auch genug. Hier auf der Kiön lässt es sich sicher gut aushalten.

Nach einer kurzen Inspektion der Insel paddle ich weiter Richtung Fuglabacken. Der Charakter der Landschaft total verschieden vom Blankaviken am Morgen. Eichen und Buchen säumen den See, das Wasser ist klar und am Boden des Sees ist jeder einzelne kleine Stein des Schotters auszunehmen. Ich lege um 14.15 Uhr in der Bucht an, auch hier gibt es einen Lagerplatz, doch schon nach kurzer Zeit ergreife ich die Flucht. Wie befürchtet bei zu viel Grün - Mücken zu Hauf. Dafür entschädigen mich die Seerosen, die hier massenweise blühen.

Wieder draußen auf dem Wasser denke ich mir, nun gut, wenn ich schon den See entdecken will, dann ordentlich und ich stake mich fast durch zwischen der Halbinsel die sich linkerhand ganz nah heranschmiegt und dem Festland, es sind vielleicht acht Meter nur und da so wenig Wasser im See ist, habe ich fast die Befürchtung, dass ich mit dem Kanu aufsitzen könnte. Doch nein, es geht sich aus und nach ungefähr zwanzig Metern verbreitert sich der See wieder und ich kann in Ruhe weiterpaddeln. Das Ufer ist wieder mit Laubbäumen bewachsen und verschilft. Gut, dass ich hier kein Lager suchen muss. Schon nach einigen wenigen Minuten bin ich in Bökestad.

Ich lege an und steige aus um mir ein wenig die Beine zu vertreten. Auch hier gibt es einen Lagerplatz mit Windverschlag und Feuerstelle, der zugleich von den Wanderern des Skåneleden, des Schonenweitwanderwegs, der hier vorbeiführt, benutzt werden kann. Bin ich froh, dass ich hier nicht übernachten muss! So viele Mücken, da braucht man schon einen guten Mückenspray, damit man sich wehren kann. Ich höre Stimmen und nach ein paar Schritten bin ich mitten in einer Gruppe Mountainbiker, die gerade diskutieren, ob sie weiterfahren sollen oder nicht. Auf meine Frage erklären sie, dass sie den Schonenwanderweg abfahren, aber hier sind ihnen zu viele Mücken. Schon nach kurzer Zeit schwingen sie sich in den Sattel und treten in die Pedale.

Auch ich mache mich wieder auf den Weg. Zurück nach Fuglabacken und dann den See entlang nach Bökestad. Boafalls Brygga ist ebenfalls ein Lagerplatz, er sieht aber nicht sehr einladend aus, daher fahre ich lieber weiter zu einer Wiese bei einem Holzstoss. Hier müsste es schön sein für eine Gruppe geht es mir durch den Kopf als ich die flache Wiese, die von Fichtenwald umgeben ist, betrete. Doch ein Blick auf die Uhr lässt mich gleich wieder aufbrechen. Es ist schon fünf und ich habe noch den ganzen See vor mir wenn ich wieder zu meinem Plätzchen von gestern kommen will. Um sieben bin ich da und heute schlage ich mein Zelt auf der Halbinsel auf, wo gestern die anderen beiden Paddler gezeltet hatten.

Zum Glück finde ich einen schönen ebenen Platz für mein Zelt, heute erspare ich mir das Feuermachen und mache mich lieber gleich über die Essenstasche her. Kidneybohnen und Aprikosencreme als Nachtisch scheinen mir passend nach diesem doch recht anstrengenden Tag im Kanu. Lange halte ich es heute in der Abendsonne nicht aus, ich krieche ziemlich früh in den Schlafsack und schlafe sofort ein.

Der Halensee

Der neue Tag beginnt im Sonnenschein bei etwa zwanzig Grad. Nach dem Frühstück paddle ich wieder runter nach Alltidhult und nehme mir für heute den Halensee vor. Der Halen ist grösser als der Raslången aber auch relativ schmal, daher ist er nicht sehr windanfällig, was für uns Kanufahrer immer gut ist. Ich beschließe den See zu umrunden und paddle zuerst in Richtung Tvätthallarna, einen Rastplatz, der auf der Karte eingezeichnet ist. In einer Bucht kreist ein Mann in einem kleinen roten Gummiboot. Wie sich nach den ersten Worten herausstellt, handelt es sich dabei um einen polnischen Angler. Er ist vom Halen begeistert und zeigt mir seinen Fang: ein schöner Hecht von vierzig Zentimeter und einige kleinere Weissfische.

In Tvätthallarna gibt es immerhin Latrinen und der Rastplatz ist gut in Schuss. Wie überhaupt die Rastplätze hier in Blekinge recht gepflegt und sauber sind, trotzdem hier doch einige Kanupaddler vorbei kommen müssen. Weiter geht es Richtung Olofström, doch vorher noch am Bergatorpet, einem weiteren Rastplatz, vorbei. Kurz vor Bergatorpet komme ich an einer Einfahrt zu einem kleinen Teich, dem Lådfogdegylet vorbei. Die Zufahrt zum Lagerplatz ist etwas versteckt hinter großen Steinen. Der Lagerplatz ist geschützt von Buchen und Kiefern.

Richtung Olofström liegen zwei Inseln auf dem Weg, die Söderön und die Norrön, beide haben felsiges Ufer und sind von Kiefern bewachsen. Auf der Söderön gibt es einige schöne Anlegestellen mit Superblick über den See. Um drei Uhr am Nachmittag vertäue ich mein Kanu am Steg des Kanucenters in Olofström und ich mache einen Spaziergang zum Campingplatz. Wie zu erfahren ist, können Kanupaddler die Duschen und Waschgelegenheiten vom Campingplatz mitbenützen. Das ist natürlich gut zu wissen. Jetzt in der Vorsaison ist nicht viel los, daher sitze ich bald wieder im Kanu und paddle zurück nach Alltidhult. Diesmal auf dem direkten Weg, das heißt ich umrunde die Insel Norrön von Norden und halte dann geradeaus auf den weißen Stamm einer abgestorbenen Birke zu. Sonst ist der Anlegeplatz gar nicht so leicht zu finden, denn aus der Ferne präsentiert sich das Ufer nur als grüne Wand.

Von Alltidhult nehme ich das Auto und fahre damit zum Filkesee um von da meine Fahrt fortzusetzen. Vorher fahre ich noch beim Abrahamsviken vorbei, einem Lagerplatz am Filkesee, doch durch den niedrigen Wasserstand wären von hier zehn Meter schlammiger Boden übersät mit spitzen Steinen zu überwinden, um das Kanu in tieferes Wasser zu schieben. Daher fahre ich gleich weiter Rastplatz Filkesjön, der wiederum gleich neben dem Bach, der vom Immeln hier in den Filkesee mündet, liegt. Das Auto muss ich allerdings an einem Parkplatz am Schranken stehen lassen und wieder freue ich mich über mein Kanuwägelchen.

Dieser Platz ist nicht so gut in Schuss wie die anderen am Raslången und am Halen. Er ist ein bisschen vergammelt und einige umgestürzte Bäume erhöhen auch nicht gerade das Wohlgefühl. Trotzdem - es gibt Feuerstellen und eine flache mit Gras bewachsene Stelle, wo ich mein Zelt aufstelle. Autsch, die Mücken hier sind ganz schön aggressiv, und ich benütze sofort meinen Mückenstift Marke MyggA. Das hilft. Die Mücken hier sind zwar bei weitem nicht so zahlreich und aggressiv wie im Norden, das ist kein Vergleich, doch stechen tun sie ja trotzdem, und da ist immer unangenehm. Daher zahlt sich ein Mückenschutzmittel allemal aus.

Sobald das Zelt steht, wird der Reißverschluss fest zugezippt und da es sowieso schon acht Uhr ist hält sich meine Entedeckungsfreude in Grenzen und ich mache mich an die Zubereitung vom Abendessen, es gibt Fruchtsuppe. Das reicht. Kurz vor dem Einschlafen fällt mir ein, dass mir heute den ganzen Tag kein einziges Kanu begegnet ist. Und das am schwedischen Nationalfeiertag, dem 6. Juni! Bei einer kleinen Rekapitulation meiner Ausrüstung muss ich eingestehen, dass ich eigentlich schon viel zu viel mitgenommen habe. Zuviel an Bekleidung, an Büchern, an Schuhen, an Essen, von allem eigentlich. Nur beim Wasser habe ich genau getroffen. 10 Liter für fünf Tage bei einer Person, das passt genau.

Oha, heute habe ich aber ordentlich geschlafen - als ich das erste Mal auf die Uhr schaue, ist es bereits neun Uhr vorbei. Eigentlich halb zehn. Na ja, mich treibt ja nichts, der Körper hat es wahrscheinlich gebraucht. Kanupaddeln ist halt einmal ein anstrengender Sport, bei dem der ganze Körper gefordert wird. Auch wenn man glaubt, man sitzt eh die ganze Zeit, so muss man doch mit den Oberschenkeln balancieren und wenn man da nicht aufpasst, dann hat man bald einmal einen Krampf im Bein.

Der Filkesee

Um elf sitze ich wieder im Kanu, diesmal auf dem Filkesee, der eigentlich gar nicht so übel ist. Wie so ein kleiner Waldsee, mit zwei Inseln in der Mitte, wovon sich die eine links von meiner Route zum Übernachten eignet. Zumindest besser als der Abrahamsviken. Bei der Durchfahrt zwischen den Inseln ist durch das wenige Wasser die Gefahr groß, aufzusitzen. Doch ich habe Glück, es rumpelt nur ein paar Mal, aber das war auch schon alles.

Schon nach einer halben Stunde bin ich am Getatorpet, von hier geht die Verbindung rüber zum Gillesee. Man sieht das relativ gut, weil die Giebelseite des Hauses zum Wasser steht und ebenso wie die Scheune rot bemalt ist. Ein Fischadler zieht über mir seine Kreise und hält Ausschau nach Entenjungen. Die Möwen wiederum greifen den Fischadler an und die Krähen die Möwen. Die Natur ist wirklich ein ständiges fressen und gefressen werden. Wenn einer Entenmutter von sechs Jungen eines bleibt, kann sie von Glück reden. Fressen und für Nachkommen sorgen, das ist und bleibt die Aufgabe der Natur.

Ich lege am Steg an und vertäue mein Kanu. Zu Fuß mache ich mich auf, den Übergang vom Filke- zum Gillesee zu inspizieren. Dieser Übergang vom Fylkesee zum Gillesee erstaunt mich: ein ganz toller mit Holzbrettern und zwei Holzschienen gebauter Weg führt den Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Für alle, die den Film Fitzcaraldo mit Klaus Kinski gesehen haben und wie in diesem Film ein ganzes Dampfschiff durch den Dschungel des Amazonas verfrachtet wird - so sieht es hier auch aus - nur im Kleinformat.

Drüben am Gillesee ebenfalls extrem wenig Wasser und der Eingang in den See ist von spitzen Steinen gesäumt. Nein, hier ist es mir schade um mein Boot. Ich spaziere wieder zurück zum Fylkesee und paddle zurück nach Richtung Brotorpet. Jetzt habe ich Größeres vor: der Immeln erwartet mich.

Der Immelnsee

Wie eingangs erwähnt, ist der Immeln der größte See Schonens und zugleich auch das Trinkwasserreservoir für Grosstädte wie Malmö und Lund. Ich bin schon gespannt. Doch erst einmal heißt es das Kanu verfrachten, d.h. auf das Wägelchen stellen, festzurren, inzwischen versuche ich das Wägelchen so mittig wie möglich anzubringen, denn auch wenn es leichter ist, das Kanu nur am Vordersteven raufzustellen, wird das Boot dadurch richtig schwer beim Schieben oder ziehen, wenn das ganze Gepäck drinnen ist. Daher probiere ich es jetzt so, dass ich das Kanu umdrehe, das Wägelchen in der Kanumitte drauf binde und dann umdrehe. Es klappt gar nicht so schlecht, und ich bin zufrieden.

Das Kanu die zweihundert Meter zur Strasse zu schieben ist kein Problem, dann rechts abbiegen, über die Brücke, dann scharf links den Hügel hinauf am Haus Brotorpet vorbei und schon habe ich den Immeln vor mir. Ja, das ist ein ganz anderer Anblick als die anderen kleinen Seen. Der ist nun wirklich groß. Ein sehr schöner Badeplatz mit Sandstrand und Volleyballnetz lockt, einige Stege sind da und ein großer Lagerplatz. Die Latrinenhäuschen sind gleich neben dem Weg in der Nähe vom Brunnen. Doch der ist leer. Also ich kann am Brunnenhebel so viel rauf ziehen und runterdrücken wie ich will, es tut sich nichts. Kein Tropfen Wasser.

Auch gut, mir soll’s recht sein. Ich habe ja meinen Wasserkanister - nur wie da andere tun, die sich drauf verlassen, dass es hier Frischwasser gibt? Später werde ich hören, dass man ganz einfach zum Haus geht, anklopft, und fragt, ob man nicht ein wenig Wasser haben kann. Das mag ja gehen, wenn man allein oder zu zweit unterwegs ist, doch was tun Gruppen?

Um 13.00 Uhr lege ich im Immeln ab. Die Sonne scheint, es hat ca. fünfundzwanzig Grad. Leider bläst ein Südwind, doch hier heroben am oberen Ende des Sees sind zahlreiche Inseln, dadurch kann ich mich bald ins Lee begeben. Als ich um die Insel Högön herumkomme, bläst mir der Wind direkt ins Gesicht und ich verstehe meinen Freund Ernst und weiss jetzt, was er gemeint hat. Der See ist langgestreckt und bei Südwind fährt der Wind ordentlich hinein und hat die ganze Länge des Sees, um sich darauf austoben zu können. Nicht dass besonders hohe Wellen wären, aber trotzdem. Ein Blick auf die Uhr macht mir die Entscheidung leicht: es ist 15.30 Uhr und daher sehe ich mich suchend um nach einem Rastplätzchen um. Glück muss der Mensch haben!

Gleich zwischen Högön und Ekön befindet sich eine windgeschützte Anlegestelle und auf der Högön bietet sich ein Superlagerplatz unter Kiefern an. Groß, sicher fünfundzwanzig mal zehn Meter. Hier lässt es sich aushalten und daher beschließe ich, hier vorerst einmal einen Tee zu trinken. Das Boot wird an Land gezogen, die Essenstasche mit dem Kocher auf einem Felsen platziert und schon ein paar Minuten später sitze ich gemütlich mit dem Rücken an einen Stein gelehnt und schaue über den See.

Nach ein paar Minuten wohlverdienter Rast denke ich, heute ist es an der Zeit für ein Festessen: Soldatens Ärtsoppa, also Erbensuppe, verfeinert mit Fleisch, soll es geben und als Nachtisch koche ich mir eine Erdbeercreme und zur Abrundung gibt es einen guten Kaffee mit Vanillegeschmack. Dann mit vollem Bauch und aller Zeit der Welt lasse ich es mir gut gehen. Blauer Himmel, die Wellen klatschen leise an den Strand, es ist völlig still, weder Auto noch Flugzeug stören, die Sonne steht hoch droben am Himmel.

Rousseau du hast recht gehabt: Was treibt die Menschen nur, dass sie raffen und gieren, sich selber und alle, die ihnen lieb sind, dadurch verrückt wenn nicht sogar krank machen, und schließlich ins Grab, wenn das Leben so schön sein kann? Ok, ich weiß, die Fabel von der Ameise und der Grille, die habe ich auch gelesen. Trotzdem, jetzt im Sommer bin ich lieber eine Grille, zum Ameisensein ist immer noch genug Zeit, wenn der Regen herunterprasselt und der Nebel die Sicht auf ein paar Meter einschränkt. Außerdem - was wäre wirklich, wenn die Menschen ein bisschen weniger von allem verbrauchen würden, was da ist? Wir sind doch trotz allem ein Teil der Natur, wir wollen wie die anderen Lebewesen essen und für Nachkommen sorgen.

Ich sehe auf das gegenüberliegende Ufer, wo einige Häuser stehen. Kein Mensch ist zu sehen. Offensichtlich Sommerhäuser. Eigentlich schade drum. Wovor haben die Leute nur solche Angst? Um den Arbeitsplatz? Oder haben sie sich so an den hohen Standard gewohnt, dass sie glauben, mit weniger geht es nicht? They never come back heißt ein typisches Sprichwort. Das mag sogar seine Bedeutung haben aber auch im Boxsport, wo dieses Wort ja geprägt wurde, gibt es Ausnahmen. Frazier ist wieder gekommen, auch Muhammed Ali hat es ein paar Mal gepackt. Und in den anderen Berufen? Klar, wenn man einmal weg ist, dann kommen andere und die Entwicklung geht weiter. Doch man muss ja nicht im gleichen Beruf weitermachen, es gibt immer wieder neue Möglichkeiten.

Der bekannte englische Autor E.M. Forster (A Passage to India) beschreibt, wie in Indien die Männer gelebt haben: die ersten dreißig Jahre wurde gelernt ein Mensch zu sein, dann haben sie das unter Beweis gestellt, fleißig gearbeitet und eine Familie gegründet, und dann mit fünfzig haben sie die Mönchskutte angezogen und sind auf Wanderschaft gegangen um die geistige Seite des Lebens auszukosten. Das müsste doch in etwas modifizierter Form auch bei uns möglich sein? Ich stelle mir das sehr schön vor, im Vollbesitz der Kräfte sich aufzumachen und die Seele zu entdecken und im Kreise Gleichgesinnter die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu diskutieren, anstatt blöd in den Fernseher zu schauen und sich passiv unterhalten zu lassen. Denn so sehe ich es bei den meisten meiner Bekannten. Vielleicht gibt es Ausnahmen, aber die sind schwach gesät.

Es ist Zeit das Geschirr abzuwaschen. Als ich mich übers Wasser beuge, sehe ich, wie ein Krebs schnell unter einem Stein Zuflucht vor meinem Schatten sucht. Hier spielt es sich ab, ob auf dem Wasser oder unterhalb, überall lebt es und will überleben und weiterleben. Auch am Strand gehen die Ameisen ihrem Tagewerk nach. E. Wilson, der die Soziobiologie ins Leben gerufen hat, hat einen Grossteil seines Lebens damit verbracht, diese Tierchen zu studieren. Dabei ist er draufgekommen, dass Ameisen eine derart faszinierende soziale Struktur haben, dass sie uns Menschen bei weitem an Organisationstalent und Arbeitsteilung übertreffen. Wilson ist sogar so weit gegangen, dass er gemeint hat, wenn Besuch von einem anderen Stern kommen würde, dieser die Ameisen wohl zuerst unter die Lupe nehmen würden, denn sie wären aufgrund ihres sozialen Systems wirklich interessant, während die Menschen kaum positiv auffallen würden.

Ameisen mit ihrem "haplodiploid form of sex determination and bizarre female cast system are the truly novel productions of the earth with reference to the Galaxy". (S.18, On human Nature). Wobei allen, die mit dem Ausdruck haplodiploid nichts anfangen können, gesagt sei, dass es sich dabei um eine recht spannende Art der Fortpflanzung unter Insekten wie Ameisen handelt, wobei die befruchteten Eier Weibchen produzieren und den unbefruchteten Eiern Männchen entspringen. Übrigens wurde diese Art, das Geschlecht der Nachkommen zu bestimmen, bereits vor ca. 150 Millionen nachgewiesen und zwar bei einer Wespenart des Mesozoikums. Was sich daraus ableiten lässt, setzt wirklich die Phantasie in Bewegung: die Weibchen konnten in Jahren mit wenig Nahrung vielen weiblichen Eiern die Fortpflanzung ermöglichen, während in guten Jahren auch mehr Männchen zugelassen wurden. Nicht nur das, diese Art des "persönlichen " Eingriffs in die Natur in der Form von Selbstbestimmung des Geschlechts der Nachkommen ermöglichte den Wespen eine hoch entwickelte soziale Lebensform. Denn dadurch, dass Schwestern durch die Haplodiploidität ein näheres Verwandtschaftsverhältnis zueinander haben als Mütter und Töchter und können Weibchen genetisch davon profitieren können, eine sterile Kaste zu entwickeln, die sich mit der Aufzucht der Schwestern beschäftigt. Sterile Kasten, die die Geschwister aufziehen sind anscheinend auch heute noch das Geheimnis hinter erfolgreichen sozialen Gesellschaften unter den Insekten wie Bienen, Wespen und Ameisen.

Alles im Leben ist bedeutungsvoll, man muss nur die Zeichen lesen und interpretieren zu lernen. Lebt man um zu arbeiten oder arbeitet man um zu leben? Diese uralte Frage hat sich wahrscheinlich schon der erste Mensch, der bei einem anderen als Sklave tätig war, gestellt. Viele Menschen würden heute sagen, dass sie arbeiten, um sich die guten Dinge des Lebens leisten zu können. Dazu fallen mir immer die Worte aus der Dhammapada ein: "Ich habe Kinder, ich habe ein Haus, ich habe es zu etwas gebracht. So bringt ein Narr Leiden auf sich. Ihm gehört nicht einmal sein Leben, wie kann er Kinder oder Wohlstand besitzen?" (Nr. 62)

Jedes Engagement in oben genannte eingebildete Werte wird den Menschen früher oder später leiden machen. Das ist nicht nur eine Redensart, wenn man nur halbwegs ehrlich ist, ist es sogar selbstredend. Jedes Leben wird früher oder später an den Punkt kommen, wo zwischen Wollen und Sein eine unüberbrückbare Kluft entsteht - und der Mensch leidet unter dieser Kluft zwischen Wollen und Können. Das ist schon schlimm genug für einen einzelnen, wenn dieser jetzt auch noch in anderen Menschen engagiert ist und mit ihnen leidet, dann vervielfältigt er dadurch sein Leiden. Oder?

Außerdem ist in den Menschen durch die biologischen Anlagen bereits festgelegt, wie gut sie sich im Leben bewähren können und darum ist jedes Engagement eigentlich nur egoistisch bedingt und nimmt demjenigen, dem man seine ganze Aufmerksamkeit widmet, die Möglichkeit, sich selber zu bestätigen und den ihm passenden und angemessenen Weg zu finden und zu nehmen. Ist er erfolgreich, dann wird ihn sein "Beschützer" dezent darauf hinweisen, das er den Erfolg eigentlich zu einem nicht geringen Teil seiner Aufmerksamkeit zu verdanken hat, geht es schlecht so heißt es, "arbeite mehr", " tu was". Was soll jetzt ein solcherart in die Enge getriebener Mensch noch vom Leben haben? Er muss sich befreien und dieser Befreiungsschlag muss so früh wie möglich kommen, ja, sollte eigentlich gar nicht stattfinden müssen. Eine erfolgreiche Erziehung würde darin bestehen, die angeborenen und genetisch festgelegten Wesenheiten des Menschen sich frei entwickeln zu lassen.

Wahrscheinlich hat die Dhammapada das gemeint, als sie jeden beklagt hat, der sich von den vermeintlichen guten Dingen des Lebens vereinnahmen lässt. Denn sie sind zumeist teuer erkauft, vor allem, wenn sie nicht mit den inneren Wesenheiten übereinstimmen. Sicher, mit Fleiß und Glück wird jeder weit kommen - nur, ist er glücklich damit? Harry Martinson, der schwedische Dichter und Nobelpreisträger, hatte alle Odds gegen sich im Leben. Seine Mutter verließ die sechs kleinen Kinder, als der Mann plötzlich und unerwartet 1910 starb. Mit dreißig eine fesche Frau im Zenit ihrer Schönheit, weigerte sie sich, ihr Schicksal hinzunehmen und wanderte nach Amerika aus. Die Kinder wurden an die Bauern der Umgebung verkauft. Harry war der kleinste und konnte sich mit der Brutalität und der unbeschreiblichen Härte, die, gepaart mit absoluter Lieblosigkeit ewige Spuren auf der kindlichen Seele hinterlässt, nicht abfinden und lief immer wieder davon. Nur um von seinem Schicksal ständig eingeholt zu werden.

Nach Jahren auf See und als Landstreicher schien er endlich einen sicheren Hafen zu finden, als er auf dem Hof von Moa Martinson, seiner späteren Frau, zuerst Anstellung und später Liebe fand. Hier entstanden auch die Bücher, die ihn zu einem der berühmtesten Schriftsteller Schwedens werden liessen. Vor allem seine Traurigkeit, die eingehüllt wurde in eine glänzende Sprache, und seine Naturschilderungen haben ihm die Herzen seiner Landsleute zufliegen lassen.

Martinson war aber viel mehr als nur ein brillanter Wortmaler. Er erkannte bereits früh, in den Sechzigerjahren, als noch kein Mensch Umweltsünden zur Kenntnis nehmen wollte, sondern alle nur an den Fortschritt glaubten und diesem das Wort redeten, welchen Schaden seine geliebte Natur durch die brutale Ausnützung des Menschen nehmen würde. Er schrieb dagegen an und musste in den Siebzigerjahren erkennen, dass die Menschen andere nur so lange lieben, solange sie sich mit ihnen identifizieren können. Martinsons "Anjara", eine Art epische Zukunftsroman, in dem prophetisch bereits das Ende der Erde durch Umweltverschmutzung und Kriege vorweggenommen wird, war zuviel für die Schweden.

Viele wandten sich von ihm ab und als er 1974 den Nobelpreis erhielt, sprachen die Zeitungen von schweren Fehlern in der Jury und davon, dass sich Schweden damit in den Augen der Weltöffentlichkeit lächerlich gemacht hätte. Wie wenig wussten diese Schreiberlinge von der Wahrheit, die erst die Geschichte beweist. Die Geschichte hat immer Recht. Heute würde Martinson als einer der Vorkämpfer für Umweltschutz und als Naturfreund gefeiert, damals beging er in einem Anfall von Verzweiflung, als ihn keiner mehr hören wollte und er sich völlig unverstanden und missverstanden sah, Selbstmord, indem er, der sich sein ganzes Leben mit fernöstlicher Mystik beschäftigt hatte, Sepukku beging, eine Art ritualer Selbstmord, indem er sich eine Schere mehrmals in den Bauch rammte.

Hier auf dem Immeln ist ein bisschen mehr los, denn gerade als ich ein Buch hervorgeholt habe und darin zu lesen beginne, gleitet ein Kanu um die Ecke und Henning Olsen legt an. Henning ist ein Original. Ein Naturliebhaber, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat und Kurse im Überleben gibt und wie man sich in der Natur richtig verhält. Den letzten Winter hat er auf dem Santiago de Compostella Weg verbracht, "das war echt toll, so ganz allein monatelang unterwegs sein", immer mit minimalem Gepäck, "so um die sechs Kilo genügen", wie er auch hier sein Kanu kaum bepackt hat und auch das Trinkwasser dem See entnimmt.

"Was willst du, das ist das Wasser für ganz Malmö, also wird es schon nicht ungesund sein", meint er und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche. Henning erzählt, dass er keinen Kanuwagen braucht, weil er alle Bäche treidelt oder, so möglich, paddelt. Das muss ja sein Kanu ganz schön hernehmen, bei all den spitzen Steinen, die jetzt überall aus dem Wasser ragen. "Ja, das stimmt, das hat damit zu tun, dass das Wasser des Immeln von den Kraftwerken geregelt wrd und im Sommer ungefähr neunzig Zentimeter niedriger ist als im Winter, daher bin ich auch oft im Winter unterwegs, das ist dann extra spannend, nur schade, dass die Nacht schon so früh kommt".

Ich sehe mir sein Kanu näher an - schließlich und endlich sieht man nicht jeden Tag ein schwarzes Kanu, "das bessere ich immer wieder aus und daher ist es jetzt schwarz", und vor allem macht mich der riesige Baumstamm stutzig, der im Vorderteil verstaut ist. "Das ist das Gegengewicht zu meinem Mast", erklärt Henning, "denn hier auf dem Immeln bläst oft eine schöne Brise, und wenn ich Rückenwind habe, dann kommt mir mein Segel gut zu statten", erklärt er und verweist auf einen einfachen Holzmast, der ebenfalls im Kanu Platz gefunden hat. "Gestern zum Beispiel beim Herauffahren von Immeln hatte ich die ganze Zeit Rückenwind, ich habe mein Paddel nur zum Steuern gebraucht".

Henning kann sein Gepäck auch deswegen so niedrig halten, weil er alles trocknet, was er auf seinen Kanutouren mitnimmt. "Nimm zum Beispiel Hamburger, die mache ich zu Haus fertig, dann gebe ich sie in den Ofen und nach ein paar Stunden ist die ganze Flüssigkeit draußen, das gleiche bei Chili con carne und anderen Speisen", sagt er mit einem verschmitzten Grinsen, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt. Immerhin, die Idee ist nicht schlecht und da es auch Dehydratoren zu kaufen gibt, werde ich die Sache demnächst probieren. "Aber wenn ich Lust auf frische Eier oder sonst was habe, dann lege ich einfach bei Bauern an und frage, ob sie mir nicht ein bisschen was abgeben können", erklärt er seine Art, immer wieder Abwechslung in seinen Speiseplan zu bringen: "jetzt werden die Johannisbeeren reif, oder später die Himbeeren, und Eier gibt es nahezu überall".

Um zehn Uhr am Abend verabschiedet er sich und steuert sein Kanu Richtung Süden, Richtung Immeln. Toller Bursche, muss man schon sagen. Während unserem Gespräch ist noch ein Kanu vorbeigekommen und nach den langen Gesichtern der beiden Insassen zu schließen, hatten sie ebenfalls auf diesen Lagerplatz gehofft. Tut mir Leid, denke ich, war zuerst da. Das ist ja das Schöne an diesen Kanutouren, die meisten paddeln gleich weiter, wenn sie sehen, dass ein Lagerplatz besetzt ist, denn schon auf der nächsten Insel gibt es wieder ein schönes Plätzchen.

Am nächsten Tag stehe ich ein bisschen früher auf als sonst, irgendwie hat mich die Unruhe gepackt, denn ich will heute nach Immeln runter und wer weiß, wie das Wetter wird. Daher bin ich um neun Uhr schon im Kanu. Der Himmel ist zwar blau, aber einige Wölkchen werden vom Wind ganz schön schnell weiter getrieben. Auch der See kräuselt seine Wellen. Doch noch hat das keine Bedeutung, es ist gerade einmal eine leichte Brise. Mal sehen, wie es weiter unten sein wird.

Mein erstes Ziel heute ist Breanäs, das liegt ungefähr sechs Kilometer von hier entfernt. Ich schaue mir die Karte genau an. Wenn ich mich links am Ufer halte und bis zum Norregård paddle, dann kann ich quer über den See direkt zum Fars Nabbe kommen, aber wenn es dort unten bläst, dann habe ich ein Problem, denn dort ist der See am breitesten. Nein, besser gleich hier hinüberqueren auf die andere Seite und dann im Schutz der zahlreichen Inseln hinunterpaddeln.

Schon in der Mitte der Überfahrt beglückwünsche ich mich zu meinem Entschluss, denn es fängt wirklich zu blasen an. Ich lasse meinen Blick prüfend über den See schweifen, und der bleibt an einem merkwürdigen Gefährt hängen: zuerst denke ich, dass da einer sein Ferienhaus über den See zieht, fürwahr eine originelle Art, sein Haus zu transportieren, aber dann sehe ich, dass es sich um ein selbst gezimmertes Hausboot handelt. Sehr stabil sieht mir das zwar nicht aus, aber die Leute wissen meistens, was sie tun, daher werde ich mich jetzt lieber um mich selber kümmern, denn in der kurzen Zeit, die mein Schauen gebraucht hat, hat der Wind und die Wellen das ganze Kanu herumgedreht.

Jetzt heißt es tüchtig paddeln um das Kanu auf Kurs zu halten. Es geht, aber es ist zäh. Jetzt wäre natürlich ein Zweiter angenehm, der auch paddelt. Aber so ist es halt im Leben, keine Rose ohne Dornen. Darum lege ich mich tüchtig ins Zeug und kämpfe mich jeden Meter nach vor. Bis zum Gnibe Nabbe geht es, aber dann kommt der Wind direkt von Immeln rauf und hat da natürlich ordentlich an Kraft gewinnen können, denn er hat die ganze Länge des Sees gehabt, um an Stärke zunehmen zu können. Die Wellen werden jetzt richtig hoch und ich muss schauen, dass ich in einem Winkel von ca. zwanzig Grad dagegen anfahre. Das genügt, um das Kanu auf Kurs zu halten, aber auch nicht mehr.

Wie komme ich jetzt nur um den Fars Nabbe herum? Ich halte mich so nahe am Ufer wie möglich und dann nehme ich gerade Kurs in die Wellen hinein, denn alles andere hätte wahrscheinlich mein Kanu zum Kentern gebracht. Ich verdopple meine Anstrengungen und merke, wie ich langsam aber sicher an die Grenze meiner Leistungsfähigkeit komme. Die Zunge klebt am Gaumen und meine Schwimmweste erweist sich zum ersten Mal als richtiges Hindernis. Sonst bin ich stolz darauf, denn sie ist neu und leuchtet durchdringend orange über den ganzen See. Auch hat sie einen Kragen und das ist wirklich ein Vorteil, wenn man bei Seegang ins Wasser fällt, denn dann bleibt der Kopf über Wasser. Auch ist sie mit einer Vorrichtung ausgestattet, die man zwischen den Beinen durchzieht, sodass sie im Wasser nicht nach oben getragen wird, wenn der Körper sinkt und die Schwimmweste geht nach oben Richtung Kopf ist das äußerst unbequem und kann leicht Panik verursachen. Das ist mir beim Wasserschifahren ein paar Mal passiert und das ist wirklich nicht angenehm, speziell bei Wellengang, wenn du sowieso schon so müde bist, dass du gerade noch Wasser treten kannst um den Kopf über Wasser zu halten, aber nicht auch noch an der Schwimmweste ziehen willst, um sie nicht als Halskrause zu haben.

Jetzt aber fährt der Wind voll in meine Weste hinein und gerade weil es sich um eine Seglerweste handelt, die noch dazu hochseetauglich ist, bietet sie natürlich viel mehr Angriffsfläche und der Wind treibt mich immer wieder zurück. Egal, daran darf ich jetzt nicht denken, sondern ich muss mich voll auf meinen Kurs konzentrieren und vor allem auf die Wellen, uuuh, da vorne kommt eine große auf mich zugerollt, liebes Kanu, bleib jetzt bloß auf Kurs - der Bug geht steil in die Höhe, als die Welle genau in dem Moment bricht, wo sie auf das Kanu stößt. Ich spüre, wie sie unter mir durchgeht, wie wenn man auf einem Drachen reitet, doch schon kommt die nächste auf mich zu, auch die wird ausgeritten, dann bin ich auch schon um Fars Nabbe herum.

Jetzt gilt es das Kanu schnell zu drehen, um den Wellen so wenig Breitseite wie möglich zu bieten, also schnell gegengesteuert und dann noch mit aller Kraft gegenverkehrt paddeln und schon schaut die Spitze des Kanus Richtung Land und ich paddle wieder schräg zu den Wellen dahin. Trotzdem bleibt immer noch ein schönes Stück Arbeit. Weiter draußen kommt wieder dieses merkwürdige Hausboot und zieht in der gleichen Richtung wie ich parallel zu mir dahin. Allzu stark dürfte der Motor ja nicht sein, denn ich halte ungefähr die gleiche Geschwindigkeit wie der Riesenkasten. Na ja, kein Wunder, das Haus muss ja noch mehr Angriffsfläche bieten für den Wind als meine Schwimmweste. Vielleicht sogar noch mehr, wenn man die Fläche bedenkt, die der Schiffsrumpf beansprucht, verglichen mit meinem schnittigen Kanu.

Zwischen Fars Nabbe und Klanabbe befindet sich eine Bucht. Jetzt ist die Frage: ausfahren oder quer drüber? Ich beschließe, es quer rüber zu versuchen, denn ich habe jetzt enormen Durst und meine Kräfte nehmen immer mehr ab. Das Kanu wird genau eingestellt, dann paddeln, paddeln, paddeln, alles, was geht, und siehe da, es funktioniert. Meter um Meter, Welle um Welle, komme ich meinem Ziel näher. Endlich - jetzt kann ich den Wind genießen, denn von hinten treibt er mich richtiggehend in die Bucht hinein und bringt mich meinem Ziel Breanäs näher.

Fast zeitgleich mit mir legt das Hausboot an. Ich vertäue mein Kanu am Steg und mache mich auf Suche nach Trinkwasser. Irgendwo muss es doch einen Schlauch oder einen Wasserhahn oder etwas Ähnliches geben? Ich spaziere umher ohne fündig zu werden. Schließlich gebe ich auf und nehme stattdessen einen Schluck aus der Wasserflasche, die ich in der Früh mit grünem Tee angefüllt hatte. Da muss ich aber schon haushalten jetzt, denn bis zum heutigen Ziel, den Kvinnöarna Inseln ist es noch weit. Na ja, eigentlich nur zwei Kilometer, aber bei dem Wind und den Wellen schaut es nach einem schönen Stück Arbeit aus.

Bevor ich mich wieder ans Paddeln mache, gleite ich ein Stück den Strand entlang zu dem Hausboot. Der Kapitän hat es sich an Deck bequem gemacht und nimmt gerade einen guten Schluck aus der Bierdose. "Na, da hast du ja ganz schön zu tun gehabt bei dem Wind, was?" ruft er mir leutselig zu, als er meiner ansichtig wird. Ich gebe zu, dass es nicht ganz einfach war und Ole, so heißt der Mann, bestätigt, dass auch er umgedreht hat um hier den sicheren Hafen zu suchen, anstatt in einer der Buchten vor Anker zu gehen, was er eigentlich beabsichtigt hatte. "Der Wind kann einem schöne Streiche spielen, der holt sich einfach das Wasser und treibt es vor sich her und auf einmal hast du nicht mehr genügend Wasser unter dir und sitzt auf. Immerhin wiegt mein Schiff drei Tonnen", erklärt er mir im stolzen Ton des Selbst ist der Mann Handwerkers, dem ich entnehme, dass er sich sein Hausboot eigenhändig gebastelt hat. " Ja, bestätigt er auf meine Frage, ich wohne ja gleich hier in Breanäs und habe mir das Ding im Garten zusammengebaut. Mehr als zweitausend Schrauben und Nieten habe ich verbraucht, aber jetzt hält es auch. Und der Motor ist nicht umzubringen, der startet immer", meint er stolz und fährt mit der Hand liebevoll über die Reling.

Nach ein paar bewundernden Worten verabschiede ich mich und lasse ihn mit seinem Bier und seinen Erinnerungen zurück. Die kleine Pause hat mir gut getan, auch der Gedankenaustausch beflügelt mich ein wenig und daher nehme ich Kurs auf die Kvinnöarna.

Der Wind hat nicht abgeflaut, trotzdem es jetzt schon drei Uhr vorbei ist, sondern er bläst mit unverminderter Kraft weiter. Von Breanäs nehme ich zuerst die Richtung zur Prästön, dadurch brauche ich nicht die ganze Länge des Immeln gegen mich zu haben, sondern habe ein bisschen Lee durch die kleine Insel. Von der Prästön schräge ich hinüber zur Äspön und von hier mitten im Vogelschutzgebiet weiter zur Tjärön und von da das Ufer entlang bis zu den Kvinnöarna.

Dabei handelt es sich um zwei kleine Inseln, die durch einen schmalen Sund voneinander getrennt sind. Der Karte nach gibt es zwei Lagerplätze, auf jeder Insel einer. Die nördlichere gefällt mir nicht so richtig, der Lagerplatz ist schwer auszumachen, und daher nehme ich die südlichere in Augenschein. Als ich durch den Sund komme, höre ich Stimmen: der Anlegeplatz befindet sich im Lee zwischen den Inseln und hier haben auch die zwei Burschen, die gestern an der Högön vorbeigepaddelt waren, angelegt. Sie sitzen auf dem Steg und plaudern. Ich lasse mein Kanu heran gleiten und wie sich gleich bei den ersten Worten herausstellt, handelt es sich bei den beiden um Schweizer aus Zürich.

Patrick und Peter sind mit dem Flugzeug von Zürich nach Kopenhagen geflogen und von dort mit Öffis nach Immeln gelangt. Nicht ganz einfach, aber mit Bus und Zug und noch einmal Bus schon zu machen. Außer dass am Sonntag kein Bus von Knislinge nach Immeln geht. Also wurde ein Taxi genommen, nur um dann in Immeln draufzukommen, dass gerade an dem Tag kein Kanu mehr zu haben war! Aber am Tag darauf hat es dann endlich geklappt und die beiden sind die Fünf Seen Route abgefahren und jetzt auch am Weg zurück. Das ist ihre letzte Nacht auf dem See. "Ist ja echt toll hier, und vor allem überhaupt keine Leute", meint Peter in ausgeprägtem Schwyzerdütsch, "das ist zu Hause nicht so". Von Peter und Patrick muss ich mir auch sagen lassen, dass es bei der Baggegbro am Raslången sehr wohl einen Übergang in den Gillesee gibt, durch einen kleinen Kanal auf der linken Seite, aber die beiden hatten auch den Vorteil, dass sie ja praktisch von der anderen Seite gekommen sind und daher automatisch dem richtigen Weg gefolgt sind.

Peter erzählt, dass er ein Kochbuch für Kanupaddler plant, "ganz natürlich und viel frische Sachen, da kann man ganz viel machen, nur wissen das die meisten nicht", meint er geheimnisvoll, und erläutert schließlich: "Milch zum Beispiel, die gefrierst du vor dem Wegfahren und die hält sich dann wenigstens zwei Tage frisch, oder Tomaten halten sich auch und dann natürlich das Dehydrieren von Speisen, das ist ganz toll". Bei diesen Worten werde ich hellhörig, denn das ist jetzt schon der zweite Hinweis nur auf dieser Tour auf das Flüssigkeitentziehen bei der Nahrung und dass das so gut wirkt. Ich denke wenn Patrick das durchzieht, dann hat er sicher gute Chancen einen Volltreffer zu landen, denn so ein Kochbuch für Weitwanderer oder Kanuten kenne ich noch nicht und jeder ist wohl gern bereit, sich über gutes Essen auf einer Tour beraten zu lassen. "Vor allem wo es nicht teurer wird", meint Patrick sehr schweizerisch sparsam.

Peter erzählt von ihrem Hobby in der Schweiz, dem Flusswandern, etwas ganz Neues, dabei wandert man ganz einfach einen Bach oder einen Fluss entlang und folgt dem Wasserlauf. Klingt recht spannend, nur scheint es mir nicht ganz ungefährlich für die Knöchel, wenn man da von Stein zu Stein hopsen muss. Da bin ich lieber sicher im Kanu.

Die beiden haben ihr ganzes Gepäck noch im Kanu, gut verzurrt wie es sich gehört, innerlich muss ich schmunzeln, weil die beiden so ganz und gar dem Bild des sicherheitsbewussten Schweizers entsprechen. Es ist schon komisch, wie man dem Klischee des eigenen Landes entspricht. Merkwürdig, welch großen Einfluss die Sozialisation trotz allem auf den Menschen hat oder zumindest darauf, wie er sich nach außen gibt.

Ein paar Regentropfen vertreiben uns vom Steg und wir suchen Schutz in einem Windverschlag. Um die Zeit zu überbrücken koche ich Tee und Peter zaubert ein paar Kekse aus dem Rucksack hervor. Die beiden geben in ihren Kommentaren der Bewunderung über die schönen Lagerplätzen, die immer wieder der Tour entlang zu finden sind, Ausdruck und wundern sich darüber, dass so gar keine anderen Leute unterwegs sind. "Vielleicht kommt der große Ansturm erst im Juli", meint Patrick und freut sich, dass sie schon jetzt im Juni hierher gekommen sind. "Wenn wir morgen das Kanu abgeben, dann haben wir noch drei Tage Zeit bis zu unserem Flug und da haben wir gedacht, wir werden noch den Schonenwanderweg ein Stück verfolgen", erzählt er. Das nenne ich Unternehmensgeist, denn so angenehm es hier auf dem Wasser ist, bei fast dreißig Grad mit voll bepacktem Rucksack dahin zu marschieren, scheint mir nicht allzu verlockend.

Schliesslich inspizieren wir gemeinsam die Insel, denn hier auf der Seite des Stegs ist es nicht sehr einladend, da die Latrine direkt neben dem einzigen mit Gras bewachsenen Plätzchen steht, wo man am besten zelten kann. Weiter drüben ist der nackte Fels und zum Steg hin besteht der Boden aus merkwürdig schwarzem schotterartigem Kies, als hätte hier jemand die Kohle einer ganzen Saison verstreut. Ein kleiner Pfad führt um die Insel herum und auf der anderen Seite scheint sich unsere Hoffnung auf einen guten Lagerplatz zu bewahrheiten. Patrick und Peter sind Feuer und Flamme, die Sonne scheint noch auf der Seite und auch eine Superanlegestelle fürs Kanu bietet sich an.

Die beiden springen in ihr Kanu und paddeln auf die andere Seite. Ich suche mir einen Lagerplatz auf der Krönung der Insel und bin recht zufrieden. Das Gras ist zwar hoch, aber dafür schön weich, und ich bin weit genug entfernt von Peter und Patrick, dass ich die beiden nicht störe. Am Abend nach dem Abendessen sitzen wir noch ein bisschen am Steg und plaudern, ehe ich mich in mein Zelt zurückziehe.

In der Früh weckt mich ein seltsames Geräusch. Sssswisch, ssschwisch.Schlaftrunken drehe ich mich im Schlafsack herum und habe die Augen halboffen, als es mich plötzlich reißt: ein riesiger Schatten scheint auf das Zelt zu fallen, klettert die Leinwand hoch, und rutscht hinunter. Als ich die Augen aufsperre, begreife ich, was da los ist: wie die Backenhörnchen in Donald Duck vergnügen sich hier Mäuse damit, die Zeltaußenwand hochzuklettern und dann hinunterzurutschen! Nicht einmal, mehrmals! Ich verfolge das Schauspiel und freue mich mit ihnen. Ob das eine Art Spieltrieb ist, der den Mäusen innewohnt? Was wohl E.O. Wilson dazu sagen würde?

Nach einiger Zeit stehe ich auf und packe in Ruhe meine Utensilien ins Kanu. Peter und Patrick schlafen noch, als ich um sieben Uhr mein Kanu ins Wasser schiebe und lospaddle. In der Nacht sind doch noch Leute gekommen, denn als ich um die andere Insel herumpaddle, sehe ich, dass zwei Personen ihre Schlafsäcke auf dem Felsen über dem See ausgerollt haben und fest schlafen.

Von den Kvinninseln sind es ungefähr drei Kilometer hinunter zum Ort Immeln und heute haben sich die Wellen auch wieder beruhigt und der See liegt ziemlich still da, es dürfte sich also um eine Genusstour handeln die letzten Kilometer. Diese letzte Strecke ist ziemlich unspektakulär, erwähnenswert ist vielleicht, dass sich hier kaum eine Gelegenheit zum Lagern anbietet. Wenn man also von Immeln losfährt, sollte man so viel Zeit einkalkulieren, also etwa eineinhalb Stunden, um bis zu den Kvinninseln zu kommen. Die letzten fünfhundert Meter bis zum Ort Immeln gehen durch eine Art Sund mit Ferienhäusern links und rechts am Ufer. Hier hält man sich als Kanupaddler am besten schön am Ufer, teils weil hier immer wieder der Dampfer mit Ausflüglern fährt, teils weil die Motorboote der Anrainer doch ziemlich rasch unterwegs sind und die Wellen ein Kanu ganz schön ins Schaukeln bringen können. Außerdem sieht man so die tollen Villen viel besser. Und wie gepflegt alles ist! Jede Wiese ist millimetergenau gemäht und alle Büsche beschnitten wie es sich gehört und wie man es sich erwartet. Die beiden Schweizer werden hier ihre Freude haben.

In Immeln kann man sich wie gesagt ein Kanu ausleihen, am Campingplatz duschen und in der Rezeption frisches Gebäck und andere gute Sachen für die Fahrt erstehen. Wie immer nach einigen Tagen im Kanu fällt die Umstellung auf Verkehr und Menschen und Zeitdruck nicht ganz leicht. Diese Tour auf den fünf Seen werde ich jetzt, wo ich weiß, wie ich vom Raslången zum Gillesee komme, sicher zu meinen Standardtouren dazuzählen. Aber ich werde auch weiterhin immer in Alltidhult mit der Tour beginnen, so gut hat es mir auf "meiner" Insel im Blankaviken gefallen.


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Last Updated: Freitag, 14. Oktober 2011
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